Parler: Tummelplatz der Trump-Anhänger
11. November 2020"Willkommen, Patrioten, auf dem letzten Leuchtturm der Freiheit im Internet!" So begrüßt der republikanische Kongressabgeordnete Devin Nunes seine neuen Follower auf Parler. Parler? Es ist ein bisschen wie Twitter, ein bisschen wie Facebook, ein bisschen wie Reddit - in einer Timeline sieht man Inhalte von Nutzern, denen man folgt. Fotos und animierte Bilder lassen sich hochladen, 1000 Zeichen Text pro Post sind möglich.
Was Parler anders machen will als die Konkurrenz: Jeder Nutzer soll posten dürfen, was er will. Ob etwas wahr ist oder falsch, ob es Hass erzeugt oder nicht, das ist bei Parler egal. Faktenchecks, mit denen etwa Twitter seine Nutzer darüber informiert, dass US-Präsident Trump fälschlicherweise behauptet, er habe die Wahl gewonnen, gibt es hier nicht. Sie seien "aberwitzig", sagt Parler-Gründer John Matze. "Wenn man erst mal beginnt, Inhalte zu kuratieren und Fakten zu checken, dann wird man einseitig", so Matze im Gespräch mit Fox News.
Parler stürmt die Charts
Das kommt an, zumindest bei den Ultrarechten in den USA. Seit dem Wahlsieg des Demokraten Joe Biden schnellen bei Parler die Zahlen in die Höhe. Viereinhalb Millionen neue Nutzer habe man in fünf Tagen hinzugewonnen, schrieb Matze am Dienstag in einem Brief an seine Community. Bei den Downloads für Android- und Apple-Geräte lag die Parler-App in den USA am Mittwoch weiter an der Spitze der Charts.
Das macht sich auch im Account von Devin Nunes bemerkbar. Nunes, einer der loyalsten Trump-Anhänger im US-Kongress, hat auf der Plattform mittlerweile 1,7 Millionen Follower begrüßen können - auf Twitter sind es nur 1,2 Millionen. Nunes nutzt seine Reichweite, um etwa die Behauptung zu verbreiten, in Erie im Bundesstaat Pennsylvania hätten Postbeamte auf Anweisung ihrer Vorgesetzten Wahlunterlagen rückdatiert. Eine Behauptung, die Twitter im Gegensatz zu Parler mit dem Hinweis versieht, dass sie umstritten sei.
Parler-Nutzer: Die Apokalypse naht
Ähnlich wie Twitter und Facebook schlägt Parler Nutzern vor, wem man folgen könnte. Bei Parler lesen sich diese Vorschläge wie das Who's who der Ultrarechten in den USA. "Sie sehen keine Zukunft auf den großen Plattformen, weil sie dort angeblich zensiert würden", sagt Miro Dittrich, der für die Amadeu-Antonio-Stiftung Rechtsextremismus im Internet beobachtet. Dabei seien etwa auf Facebook nach wie vor viele der erfolgreichsten Inhalte rechtspopulistischer Natur. "Aber natürlich haben wir gesehen, dass die Plattformen sich seit 2016 ihrer Verantwortung mehr bewusst sind und jetzt ihre Community-Standards stärker durchsetzen", sagt Dittrich im DW-Gespräch: "Das heißt, dass man durchaus Gewaltaufrufe und Rassismus als klare Verstöße gegen die Community-Standards löscht. Das gefällt ihnen natürlich nicht."
Auf Parler findet man neben den Rechtsaußen der Republikaner zahlreiche Rassisten, Holocaust-Leugner und QAnon-Sektierer, die glauben, Politik und Medien seien von pädophilen Satanisten unterwandert. "Aus diesen Missinformationen entsteht ein eigenes Weltbild", sagt Dittrich. "So geraten Menschen in alternative Wirklichkeiten. Und in diesen alternativen Wirklichkeiten ist der politische Feind oft maximal dämonisiert." Zudem werde oft von einer nahenden Apokalypse gesprochen. "All das erzeugt Handlungsdruck. Und wir sehen leider, dass sich dieser Handlungsdruck auch in Gewalt in der Offline-Welt entlädt."
Nacktbilder und Nationalisten
Technisch scheint Parler noch nicht völlig ausgreift zu sein. Es dauert oft sehr lange, bis Inhalte geladen werden. Das könnte natürlich auch an der großen Zahl neuer Nutzerkonten liegen. Man werde die Probleme schnell ausbügeln und habe die Zahl der Mitarbeiter innerhalb von 24 Stunden vervierfacht, schreibt Parler-Gründer Matze auf seinem Account. Parler will auf möglichst viel selbst programmierten Code setzen, um nicht von den etablierten IT-Unternehmen im Silicon Valley abhängig zu sein.
Der selbst gebaute Code hat jedoch seine Probleme. Egal, nach was man sucht, sei es QAnon oder Trump2020, man wird auf Parler mit jeder Menge Links zu Nacktbildern überflutet. Die Algorithmen scheinen Porno-Werbung nicht gut filtern zu können. Dabei - Meinungsfreiheit hin oder her - ist Pornografie auch auf Parler verboten. Werbung für Marihuana-Konsum, Verunglimpfung und Todesdrohungen sind laut der Community-Standards von Parler ebenfalls nicht gestattet. Parler-Gründer Matze wies seine Nutzer außerdem ausdrücklich darauf hin, dass es nicht gestattet sei, Bilder der eigenen Fäkalien zu posten. Zahlreiche Satire-Accounts hat die Plattform bereits gelöscht.
Zieht Donald Trump um?
Ob Parler langfristig Erfolg haben wird? Miro Dittrich von der Amadeu-Antonio-Stiftung ist skeptisch. Plattformen, die nur ein bestimmtes, homogenes Publikum ansprechen, seien selten erfolgreich, sagt er: "Man will ja Leute belästigen und sich an seinen Gegnern abarbeiten. Für diese Fraktion ist das ein großer Teil der Motivation, auf Social Media aktiv zu sein." Dittrich vermutet deshalb, dass viele Parler-Nutzer bald wieder zu Twitter zurückkehren werden. So ähnlich sei es auch schon bei Gab gewesen, einer Plattform, die ebenfalls Nutzer von Rechtsaußen angesprochen hat.