1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikSüdkorea

Wahlschlappe in Südkorea: Präsident Yoon sucht nach Auswegen

12. April 2024

Seine "People Power Party" hat bei den Parlamentswahlen eine herbe Niederlage erlitten. Die Gegner von Yoon wollen ihn nun weiter in die Mangel nehmen, haben aber selbst mit juristischen Problemen zu kämpfen.

https://p.dw.com/p/4ehj2
Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol, November 2023
Geschlagen, aber kampfbereit: Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeolBild: Kin Cheung,/AP Photo/picture alliance

Die Parlamentswahlen in Südkorea waren schmerzhaft für Präsident Yoon Suk-yeol: Seine Partei "People Power Party" (PPP) kassierte am Mittwoch eine deutliche Niederlage und verlor die parlamentarische Mehrheit. Nun gab Yoon bekannt, er wolle das Land reformieren. So wolle er den Anliegen der Bevölkerung besser entsprechen.

"In Demut akzeptiere ich den in den Parlamentswahlen zum Ausdruck gebrachten Willen der Bevölkerung und werde mich bemühen, die Verwaltung zu reformieren und mein Bestes zu tun, die Wirtschaft zu stabilisieren und den Lebensunterhalt der Menschen zu verbessern", ließ Yoon in einer von seinem Stabschef abgegebenen Erklärung verlauten.

Damit mutet sich der Regierungschef ohne Parlamentsmehrheit eine enorme Aufgabe zu. Denn die Niederlage - die PPP und verbündete Parteien errangen nur 108 von 300 Sitzen insgesamt - versetzt die Opposition in die Lage, sämtliche Gesetzesinitiativen in den restlichen drei Jahren von Yoons Amtszeit zu blockieren, sollte sie es darauf anlegen.

Tatsächlich lassen Yoons Rivalen bereits die Muskeln spielen. Nur wenige Stunden nach der Wahl forderte Cho Kuk, der Vorsitzende der neu gegründeten "Partei für den Wiederaufbau Koreas", eine Untersuchung gegen Yoons Ehefrau Kim Keon-hee. Diese gründet auf dem Vorwurf, sie habe 2012 die Aktienkurse eines Autohauses manipuliert. Zehn Jahre später soll sie unrechtmäßig eine teure Dior-Handtasche angenommen haben.

Der ehemalige Justizminister Cho Kuk
Auf einem Rachefeldzug gegen Yoon? Der ehemalige Justizminister Cho Kuk (vorne in der Mitte)Bild: Ahn Young-joon/AP Photo/picture alliance

Sinnt der Ex-Justizminister auf Rache?

Beobachter haben den Eindruck, Cho befinde sich auf einer Art Rachemission gegen Yoon. Cho war 2019 zum Justizminister ernannt worden, hielt sich aber nur 35 Tage im Amt. Dann musste er wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung zurücktreten. Außerdem, so der Vorwurf, habe er versucht, seiner Tochter mit gefälschten Zeugnissen einen Platz an einer angesehenen medizinischen Universität zu verschaffen.

Die Ermittlungen gegen Cho und seine Familie führte Yoon, damals noch im Amt des Generalstaatsanwalts. Schließlich wurde Chos Frau zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, Cho selbst verlor seine Stelle an der juristischen Fakultät der Nationalen Universität Seoul.

Doch Cho gelang ein überraschendes politisches Comeback: Nur einen Monat vor der Wahl gründete er eine eigene Partei. Als Teil eines Bündnisses mit der größeren Demokratischen Partei gewann er 12 Sitze.

Die Leitartikler der großen Zeitungen riefen die großen Parteien nach der Wahl dazu auf, zum Wohle der Nation zusammenzuarbeiten. Es gelte die teilweise bösartigen Wahlkämpfe der letzten Wochen hinter sich zu lassen und so die Polarisierung der politischen Landschaft Südkoreas zu überwinden.

Lee Jae-myung, Vorsitzender der "Demokratischen Partei", Januar 2024
Die Präsidentschaftswahlen 2027 im Blick: Lee Jae-myung, Vorsitzender der "Demokratischen Partei"Bild: Yonhap/REUTERS

Empfehlung: höflich und zurückhaltend

Zugleich haben die Parteien bereits die Zukunft im Blick. So schaut der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Lee Jae-myung, dessen "Demokratische Partei" sich als größte Partei im Parlament behaupten konnte, bereits auf das Jahr 2027. Dann nämlich wird Yoon nach Ablauf der in der südkoreanischen Verfassung vorgesehenen fünfjährigen Amtszeit ausscheiden.

Lee werde sich bemühen, seine Partei "vernünftig" aussehen zu lassen", sagt Kim Sang-woo, ein ehemaliger Politiker des linksgerichteten Südkoreanischen Kongresses für Neue Politik und jetzt Vorstandsmitglied der Kim Dae-jung Peace Foundation, im DW-Gespräch.

"Der beste Weg, dies zu erreichen, dürfte darin bestehen, Debatten höflich und zurückhaltend zu führen. Das dürfte Lee dabei helfen, nach dem Triumph seiner Partei bei den Parlamentswahlen auch bei der Präsidentschaftswahl in drei Jahren einen Sieg einzufahren", so Kim.

Das gelte aber auch für Yoon, so der Experte. Auch dieser müsse an seinem Image arbeiten und künftig "weniger arrogant und herablassend" auftreten. Denn diese Eigenschaften hätten viele Wähler abgestoßen, so Kim.

Umso stärker dürften künftig die politischen Unterschiede in den Vordergrund rücken. Dazu zählen etwa die von Yoon eingebrachten Vorschläge für Steuersenkungen oder der Vorstoß der Demokratischen Partei zur Finanzierung erneuerbarer Energiequellen. Damit tritt sie offen der Regierung und deren Vorliebe für Kernenergie entgegen. 

Auch die Außenpolitik dürfte künftig stärker ins Zentrum der politischen Debatten rücken. So etwa demonstrieren Yoon und seine Verbündeten gegenüber Nordkorea und dessen außenpolitischen Kurs eine härtere Haltung als ihre Rivalen von der liberalen Demokratischen Partei. Auch das Verhältnis zu den USA und Japan dürfte künftig wichtiger werden: Unter der Regierung der PPP hat sich Südkorea beiden Ländern erheblich angehnähert. Führende Mitglieder der Demokratischen Partei hingegen fordern eine Verbesserung der Beziehungen zu China. Auch solle sich Seoul nicht in Pekings Ansprüche auf Taiwan einmischen.

Oppositionsführer in Schwierigkeiten

Yoon können durchaus einen Teil seiner alten Popularität zurückgewinnen, sagt der Jurist Park Jung-won von der Dankook-Universität. Dabei spiele auch eine Rolle, dass sich auch Lee, der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Korruptionsvorwürfen gegenübersehe.

"Für Lee besteht ein großes juristisches Risiko ", so Park gegenüber der DW. Während seiner Zeit als Bürgermeister von Seongnam wurde Lee in Zusammenhang mit einem Korruptionsfall im Rahmen eines Landerschließungsprojekt gebracht.

Einen Tag vor den Parlamentswahlen musste Lee erneut vor Gericht erscheinen. Dort muss er sich auch dem Vorwurf stellen, in Verbindung mit illegalen Finanz-Transfers nach Nordkorea zu stehen. Lee bestreitet die Vorwürfe. "Ich habe noch nie eine politische Partei gesehen, die mit so vielen rechtlichen Problemen zu kämpfen hatte", sagt Park .

Auch Lees Verbündeter Cho Kuk sehe sich von politischen Skandalen bedroht, so Park. Darum sei nicht auszuschließen, dass der Konflikt zwischen dem neuen Parlament und dem Präsidenten eskalieren werde.

"Lee mag sich im Moment relativ ruhig verhalten. Doch die oberste Priorität sowohl für ihn als auch für Cho ist es, sich an Yoon zu rächen. Zu dieser Rache gehört womöglich auch ein Amtsenthebungsverfahrens", so Park. "Die kommenden Jahre werden herausfordernd".

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Nord- und Südkorea – siebzig Jahre im Kalten Krieg

 

Freiberufliche Mitarbeiter, Julian Ryall
Julian Ryall Korrespondent und Reporter in Tokio