Wahlen in Jordanien unter Beobachtung
20. September 2016Die Partei der jordanischen Muslimbrüderschaft, die Islamische Aktionsfront (IAF), tritt erstmals seit 2007 wieder bei der Parlamentswahl an, nachdem sie die beiden letzten Abstimmungen 2010 und 2013 boykottiert hatte. Grund waren Wahlbetrugsvorwürfe und das bestehende Wahlsystem, das nach Ansicht der IAF die monarchietreuen Stammeskandidaten begünstigte. Nach dem neuen Recht können die Wähler in 23 Wahldistrikten nun über Listen-Kandidaten abstimmen. Kritiker bemängeln, dass die Reformen zu kurz greifen und keine wirkliche Veränderung bringen.
Parlament ohne Machtbefugnisse
Einer Umfrage zufolge wollen weiter 32 Prozent der Wahlberechtigten für ein Familien- oder Stammesmitglied stimmen. Die IAF trauen Experten zu, dass sie etwa 20 der 130 Sitze im Parlament erobern wird. Damit wäre sie die stärkste oppositionelle Kraft im neuen Abgeordnetenhaus, in dem 15 Sitze für Frauen, neun für christliche Vertreter und drei für Vertreter von Minderheiten reserviert sind.
Allerdings hat das Parlament in Jordanien nur wenige Machtbefugnisse. Das ist einer der Gründe dafür, dass die Parlamentswahl die Bevölkerung nur wenig mobilisiert. Die Meinungsforscher rechnen damit, dass 42 Prozent der 4,2 Millionen Wahlberechtigten nicht von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen wird.
Warnung vor Manipulation und Stimmenkauf
Und das obwohl der höchste Geistliche des Landes, Dar al-Iftaa, die Wahlteilnahme in einer Fatwa zur nationalen und religiösen Pflicht erklärt hat. Er warnte zudem vor Manipulation und Stimmenkauf, der in den vorangegangenen Wahlen allgemeine verbreitet war. Die nationale Wahlkommission hat zugesichert, dass die Wahl nach internationalen Standards erfolgt. Das sollen 14.000 lokale sowie 676 internationale Beobachter, darunter 66 aus der Europäischen Union, sicherstellen.
König Abdullah II. hatte das Parlament Ende Mai aufgelöst und damit den Weg für Neuwahlen freigemacht. Jordanien leidet unter enormen wirtschaftlichen Problemen und ist zudem schwer vom Krieg im angrenzenden Syrien und Irak betroffen. Das Land trägt durch die Aufnahme unzähliger Flüchtlinge eine enorme Last, inzwischen sind ein Fünftel der Bevölkerung aus Syrien stammende Flüchtlinge. Zudem ist die Arbeitslosigkeit schon seit Jahren enorm hoch. Laut offiziellen Angaben liegt sie bei 14 Prozent, Schätzungen gehen jedoch von bis zu 30 Prozent aus - in einem Land in dem rund 70 Prozent der Bevölkerung unter 30 Jahren alt ist.
Dazu kommt die Angst davor, dass der Krieg aus den Nachbarländern auch das bislang noch friedliche Jordanien infizieren könnte. Erst im Juni war Jordanien, das Mitglied der von den USA geführten Koalition gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" ist, Ziel eines IS-Anschlags. Bei dem Selbstmordattentat kamen neun Grenzsoldaten ums Leben.
ww/kl (afp, ap)