Pariser Terroranschläge: Abdeslam bestreitet Tötungen
9. Februar 2022Er habe niemanden getötet, er habe auch niemanden verletzt, sagte Salah Abdeslam vor Gericht in Paris. Der 32-Jährige ist der mutmaßlich einzige überlebende Angehörige einer radikal-islamischen Gruppe, die in konzertierter Aktion im November 2015 die Attentate verübt hatte, bei denen 130 Menschen getötet wurden.
Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) reklamierte die Taten für sich. Abdeslam erklärte, er unterstütze und liebe den IS. Er hatte sich bereits zu Prozessbeginn zu der islamistischen Terrororganisation bekannt.
Bislang kamen in dem seit fünf Monaten dauernden Prozess vor allem Ermittler und Überlebende zu Wort. Eine Corona-Infektion Abdeslams und weiterer Angeklagter verzögerte das Verfahren. Bei der Anschlagsserie hatten Extremisten in der Nacht vom 13. auf den 14. November 2015 im Pariser Konzertsaal "Bataclan" sowie in Bars und Restaurants 130 Menschen erschossen. Es gab 350 Verletzte. Am Stade de France sprengten sich zudem während eines Fußball-Länderspiels zwischen Deutschland und Frankreich drei Selbstmordattentäter in die Luft.
Abdeslam floh nach Belgien
Abdeslam soll in Paris einen Sprengstoffgürtel getragen, ihn aber nicht gezündet, sondern in einem Vorort weggeworfen haben, wo dieser später gefunden wurde. Ob er einen Rückzieher von den Anschlagsplänen machte oder es womöglich ein technisches Problem gab, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall floh Abdeslam nach Belgien und tauchte unter, bis er bei einer Razzia in Brüssel aufgespürt und am 18. März 2016 festgenommen wurde.
Wie andere berüchtigte Islamisten auch war Abdeslam im Brüsseler Stadtteil Molenbeek aufgewachsen. Angeklagt sind nun insgesamt 20 mutmaßliche Islamisten. In einer ersten Einlassung im September 2021 hatte Abdeslam das Blutbad verteidigt. Er begründete die Terrorattacke mit den Angriffen Frankreichs in Syrien. "Wir haben Frankreich angegriffen, wir haben die Bevölkerung ins Visier genommen, Zivilisten, aber persönlich haben wir nichts gegen sie", sagte er.
Als der damalige Präsident François Hollande entschieden habe, den IS anzugreifen, habe er gewusst, dass dies Risiken mit sich bringe. Hollande wehrte sich als Zeuge in dem Prozess gegen eine solche Darstellung.
20 Jahre Haft oder noch mehr
Der Mehrheit der Angeklagten drohen 20 oder mehr Jahre Haft. Gegen sechs von ihnen wird der Prozess in Abwesenheit geführt. Fünf von ihnen kamen vermutlich in der Zwischenzeit in Syrien ums Leben, einer ist wegen Terrorvorwürfen in der Türkei inhaftiert. Abdeslam wurde wegen Schüssen auf die Polizei kurz vor seiner Festnahme bereits in Belgien zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Prozess ist bis zum Mai terminiert.
nob/se/kle (dpa, afp, rtr)