Kaum Corona in drei Ländern Lateinamerikas
23. Mai 2020Der amerikanische Kontinent weist mit derzeit rund 2,4 Millionen COVID-19-Infizierten einen traurigen Rekordwert aus (Quelle: Johns Hopkins Universität, Stand 23.05.). In Lateinamerika breitet sich das neuartige Coronavirus scheinbar ungebremst aus. Doch es gibt drei Länder, deren Zahlen für Verwunderung sorgen. Laut Angaben der jeweiligen Gesundheitsministerien meldet Costa Rica 911 Infizierte und zehn Todesopfer. Uruguay meldet 20 Todesopfer bei 753 positiv getesteten Personen. Und die Behörden in Paraguay melden 838 Infizierte und elf Todesfälle.
Es gibt etwas, was alle drei Länder gemeinsam haben: Sie haben schnell gehandelt. Dies meint jedenfalls Carin Zissis von der Americas Society (AS/COA), die ihren Sitz in New York hat. Costa Rica war beispielsweise das erste mittelamerikanische Land, das einen positiven Fall von COVID-19 meldete und trotz seiner starken Abhängigkeit vom Tourismus innerhalb weniger Tage seine Grenzen schloss und den Reiseverkehr einschränkte. Uruguay erklärte seinerseits den gesundheitlichen Notstand und schloss die Schulen noch am selben Tag, an dem die ersten Fälle bestätigt wurden. "Von den drei genannten Ländern ist es auch das Land mit der höchsten Testrate", sagte Carin Zissis gegenüber der DW. Paraguay verordnete Quarantänemaßnahmen, nachdem der zweite Fall im Land bestätigt wurde.
Die drei Länder waren aber nicht die einzigen, die in Lateinamerika schnell auf die Pandemie reagiert haben. Zissis hebt einen weiteren Umstand hervor: Alle drei Länder haben eine relativ kleine Bevölkerung. "Gerade in Lateinamerika haben wir gesehen, dass riesige Ballungszentren wie etwa Sao Paulo und Mexiko-Stadt die Epizentren sind."
Paraguay: Wie eine Insel
Guillermo Sequera, Generaldirektor der Gesundheitsbehörde Paraguays, zieht eine positive Bilanz und zitiert den Schriftsteller Augusto Roa Bastos: Paraguay sei eine Insel, die von Land umgeben ist. Dieses Bild beschreibe gut die geringe Anbindung des Landes an die großen Metropolen der Welt. Die globale Vernetzung bestimme auch die Geschwindigkeit, mit der sich das Virus ausbreitet.
Trotzdem könnten auch die Insellage und die schnelle Reaktion der Regierung Paraguay nicht vollkommen vor äußeren Einwirkungen bewahren. Nach Ansicht Guillermo Sequeras stellt gerade Brasilien ein Problem dar. "Wir glauben, dass unser Nachbarland Argentinien die nötigen Maßnahmen ergriffen hat, die letztlich der Region und unserem Land helfen. Aber es liegt an Brasilien, wie sich COVID-19 regional weiter verbreitet."
Am Montag kündigte Paraguays Präsident Mario Abdo Benitez an, dass die Grenzen und Schulen als Letztes geöffnet werden sollen, da sie die "verwundbarsten Stellen" sind. "Wir können die Grenzen nicht öffnen", betonte er, "solange sich das Virus in unseren Nachbarländern verbreitet."
Uruguay: Investitionen, die sich auszahlen
Auch in Uruguay macht man sich mit Blick auf das Nachbarland Brasilien Sorgen um die bisherigen Erfolge. "Die Entwicklung weist auf eine gelungene Eindämmung hin. Während die Sterblichkeitsrate auf dem restlichen Kontinent bei sechs Prozent liegt, ist sie in Uruguay stabil bei 2,7 geblieben", so Giovanni Escalante von der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation OPS.
Als wichtigste Faktoren, die zur erfolgreichen Eindämmung des Coronavirus in dem südamerikanischen Land beigetragen haben, nennt Giovanni Escalante "das seit mehr als 15 Jahren anhaltend hohe Niveau der öffentlichen Investitionen in das Gesundheitswesen". Hinzu käme, dass die Stärke seiner Institutionen und seine demokratische Tradition Uruguay einen Vorteil gegenüber anderen Ländern der Region verschaffen.
Costa Rica: Technische Innovationen
Auch im Falle Costa Ricas war das starke Gesundheitssystem ein Schlüsselfaktor im Kampf gegen die Pandemie. Die dortige Bevölkerung hat mit 79,6 Jahren die längste Lebenserwartung in Lateinamerika, sagt Evelyn Gaiser von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Costa Rica. Die costa-ricanische Sozialversicherungskasse (Caja Costarricense de Seguridad Social) verfügt über Krankenhäuser im ganzen Land und hat mehr als 50.000 Mitarbeiter, das entspricht einem Mitarbeiter pro 100 Einwohner.
Nach Ansicht Gaisers sticht Costa Rica im Umgang mit der Krise durch "Agilität und Innovationsgeist" hervor. Die Regierung hat eng mit privaten Institutionen zusammengearbeitet und auf die Empfehlungen von Experten der Medizintechnik gesetzt. Die innovativen Lösungen reichen von der Entwicklung von Schutzausrüstung unter Verwendung von 3D-Druckern bis hin zur Einrichtung eines auf COVID-19-Fälle spezialisierten Krankenhauses in nur elf Tagen, erzählt Gaiser der DW.
Seit Anfang Mai testet Costa Rica alle einreisenden Fernfahrer auf COVID-19 und untersagt diesen die Weiterfahrt, bis die Testergebnisse vorliegen. Dadurch wurden bereits 50 Infektionen festgestellt. Nach Angaben des hiesigen Gesundheitsministeriums konnte ein einzelner Fernfahrer 18 Personen in Costa Rica anstecken. Bedenkt man, dass sich die Zahl der täglichen Neuansteckungen in Costa Rica in den vergangenen Wochen zwischen drei und 16 bewegte, wurde also eine beachtliche Zahl an COVID-19-Erkrankungen verhindert.