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Paradies für Piraten

Vanessa Fischer, zurzeit Brasilien15. April 2004

Keine tropische Pflanze, kein Tier ist vor ihnen sicher: Schmuggler im Dienst der Biopiraterie. In Brasilien finden sie für den illegalen Handel mit wilden Tieren und geschützten Pflanzen ein Paradies vor.

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Razzia auf einem Tiermarkt in BahiaBild: DW

Ein unauffälliges Haus in einer unauffälligen Wohngegend in Brasilia. Kein Schild, nichts deutet darauf hin, dass sich hinter dem Gitterzaun die Zentrale einer Nichtregierungsorganisation verbirgt, die sich im Kampf gegen den illegalen Handel mit wilden Tieren inzwischen einen Namen gemacht hat: Renctas (Nationale Organisation gegen den illegalen Handel mit wilden Tieren).

Seit fünf Jahren leistet die Renctas Aufklärungsarbeit im ganzen Land, organisiert Schulungen für die Polizei, begleitet diese bei Kontrollaktionen und erforscht die Routen der Schmuggler. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind alarmierend. Jährlich werden etwa 38 Millionen wilde Tiere aus ihrem Lebensraum geraubt, um einen blühenden Schwarzmarkt besonders in Europa und den USA zu bedienen. Nur jedes Zehnte überlebt den Weg bis zu seinem Ziel.

Platz drei, nach Drogen und Waffen

Ara
Auch Aras gehören zu den Opfern der so genannten Biopiraterie, der illegalen Handel mit Pflanzen und wilden Tieren

Nicht nur Sammler selten vorkommender Spezies, sondern vor allem wissenschaftliche und pharmazeutische Interessen machen den illegalen Handel zu einem lukrativen Geschäft. Weltweit belegt es Platz drei, nach dem Handel mit Drogen und Waffen. Unter den Verkaufschlagern der Pharmaindustrie finden sich genug Beispiele dafür, wie sich mit der Natur das große Geld machen lässt. Das Produkt "Captopril" zum Beispiel, ein Mittel gegen Bluthochdruck, bringt weltweit jährlich bis zu fünf Milliarden Dollar ein. Der Wirkstoff basiert auf dem Gift der Bothrops Jararaca, einer brasilianischen Schlangenart. Eines von vielen Substanzen, die außerhalb Brasiliens patentiert wurden und später wieder teuer re-importiert werden müssen.

Anfang April 2004 wurde ein Deutscher aus der Untersuchungshaft in Manaus im Bundesstaat Amazonas entlassen. Die brasilianischen Behörden hatten in seinem Gepäck tote Spinnen entdeckt. Ungerechnet 17.000 Euro soll Baumgarten jetzt zahlen. "In den meisten Fällen sind die Strafen aber sehr lasch", sagt Flávio Montiel vom brasilianischen Umweltinstitut, IBAMA, das Kontrollen im ganzen Land durchführt. "Sie zahlen und ein paar Monate später reisen sie als Touristen wieder ein." So auch im Fall eines anderen Deutschen. Er wurde im vergangenen August mit 21 verschiedenen Keimlingen gefasst. "Wir haben die Sprossen von Indianern der Region untersuchen lassen. Viele hatten eine hohe toxische Konzentration und wir wissen, dass toxische Substanzen in der Pharmaforschung verwendet werden. Wir haben dann auch herausgefunden, dass er schon öfter eingereist war und große Pharmaforschungsinstitute in Europa beliefert", sagt Montiel.

Brasilien zieht die Notbremse

Das soll sich jetzt ändern. Denn der Fortschritt auf dem Gebiet der Biotechnologie hat die Naturschätze im Amazonas noch attraktiver gemacht. Brasilien versucht jetzt, die Notbremse zu ziehen. Vor einigen Monaten wurde eine parlamentarische Kommission einberufen. Sie hat eine Bestandsaufnahme erarbeitet und einen Gesetzesentwurf vorgelegt. "Wir wussten, dass dieses Geschäft sehr lukrativ ist, aber wir wussten zum Beispiel nicht, dass ein großer Teil in der Hand von organisierten Banden ist, von denen an die 450 in Brasilien aktiv sind", sagt José Sarney Filho, Vorsitzender der Kommission und Chef der Grünen Partei.

Eine ganze Reihe von Maßnahmen soll nun auf den Weg gebracht werden. Eine neue Gesetzgebung, die nicht nur schärfere Strafen vorsieht, sondern auch eine bessere Regulierung und Organisation in der Forschung. Es gehe nicht darum, ausländischen Forschern die Türen zu verschließen, sagt Sarney Filho. Aber wenn sie von der hiesigen Biodiversität profitieren, dann sollten sie dem Land und den traditionellen Völkern, denen sie das Wissen meistens entnehmen, einen Teil des Kuchens abgeben. Dafür müsse es jetzt klare Regeln geben. Bereits vor elf Jahren hatten 182 Länder auf einem internationalen Umweltgipfel in Rio de Janeiro ein Abkommen (Convention on Biological Diversity) unterzeichnet, das eben solche Regeln vorsieht.