Palmöl - heikles Thema zwischen EU und Indonesien
2. Mai 2018Nachdem Umweltschützer schon seit Jahren den Einsatz von Pflanzenöl in Kraftstoffen als kontraproduktiv für den Klimaschutz kritisiert haben, ist auch die EU auf Distanz zu dieser Politik gegangen. Demnach soll der Einsatz konventioneller Biokraftstoffe in der EU deutlich heruntergefahren werden, gemäß der geänderten "EU-Direktive zu Erneuerbaren Energien", die von der EU-Kommission bereits im November 2016 vorgelegt wurde und ab 2020 gelten soll.
War zunächst die Beimischung von Pflanzenöl im Dieselkraftstoff ("Biosprit") als Beitrag zum Klimaschutz gewünscht und gefördert, gilt diese Rechnung inzwischen beim Palmöl als falsch. Denn wegen der massiven Nutzung von ursprünglichen Regenwald- und Moorflächen für den Anbau von Ölpalmen führt der Biosprit-Einsatz im Endeffekt zu einer größeren anstatt zu einer geringeren CO2-Belastung der Atmosphäre. Deswegen fordert das Europäische Parlament (EP) ein Ende des Palmöls in Biodiesel bis Ende 2020 und sehr weitgehende Auflagen für die Verwendung von Palmöl außerhalb des Transportsektors. Die EU-Kommission ihrerseits schlägt weniger drastische Maßnahmen vor, aber macht auch klar: Konventioneller Biodiesel soll eine geringere Rolle als zuvor beim Anteil an erneuerbaren Energien in der EU spielen.
Sorge in Indonesien und Malaysia
Dieser Politikwechsel in der EU lässt in den asiatischen Hauptexportländern Indonesien und Malaysia die Alarmglocken schrillen. Malaysia deutete schon an, dass Rüstungsgeschäfte mit Frankreich leiden könnten. Denn in beiden ASEAN-Ländern spielen Palmöl-Exporte eine große volkswirtschaftliche Rolle, sie sind die größten Palmöl-Produzenten weltweit.
So exportierte Indonesien 2016 Palmöl im Wert von 14,4 Milliarden US-Dollar (was zehn Prozent des gesamten Exportvolumens entspricht), davon 16 Prozent in die EU. Zwei Millionen Kleinbauernbetriebe bewirtschaften die insgesamt 5,6 Millionen Hektar Palmölplantagen in beiden Ländern, 4,5 Millionen Menschen erzielen ihr Einkommen von der Palmölproduktion. Nach Angaben des EU-Parlaments entfallen eine Million Hektar auf die Produktion von Palmöl für den Biosprit in der EU.
EU-Vertretung in Indonesien beruhigt
Unmittelbar nach der Abstimmung im EP bemühte sich die EU-Vertretung in Indonesien, die Befürchtungen in der Region zu zerstreuen. So heißt es in einer Pressemitteilung der EU aus Jakarta vom Januar 2018: Die Abstimmung sei "ein Schritt in einem komplexen legislativen Verfahren und keineswegs eine finale Entscheidung von Seiten der EU."
Im Übrigen begrenze die Abstimmung "in keiner Weise die Produktion, den Konsum oder den Import von Biokraftstoffen auf Palmöl-Basis in der EU." Und EU-Botschafter Vincent Guérend bekräftigte: "Der EU-Markt bleibt für Palmöl offen." Die Palmöl-Importe aus Indonesien mit einem jährlichen Wert von über zwei Milliarden Euro seien im Zeitraum Januar – September 2017 gegenüber 2016 um 38 Prozent gestiegen, so die Pressemitteilung der EU. Damit sei die EU - nach Indien - der zweitwichtigste Exportmarkt für indonesisches Palmöl.
Aber klar ist: Der Trend gegen Palmöl als Biokraftstoff ist ein heikles Thema bei den Handelsgesprächen zwischen der EU und Indonesien beziehungsweise Malaysia. Es kam auch bei der 4. Verhandlungsrunde über ein Freihandelsabkommen zwischen EU und Indonesien, die Mitte Februar in dem südostasiatischen Land stattfand, zur Sprache. Mitte März veröffentlichte die EU-Vertretung in Indonesien eine längere Mitteilung über die Gesprächsrunde, in der das Thema Palmöl sehr knapp erwähnt wurde: Es habe ein Treffen auf Ebene der Chef-Unterhändler zur Frage des Palmöls stattgefunden, wobei es "zu einem Austausch von Meinungen über die Entwicklungen der Gesetzgebung auf beiden Seiten kam."
Indonesiens Minister für schwierige Fälle auf Europa-Besuch
Dieser Meinungsaustausch kann noch nicht erschöpfend gewesen sein, denn vergangene Woche schickte Jakarta seinen "koordinierenden Minister für Maritime Angelegenheiten" auf eine Tour durch verschiedene europäische Hauptstädte, um dort den indonesischen Standpunkt in Sachen Palmöl zu verdeutlichen, also dass es möglichst keine Einbußen beim Palmölexport in die EU geben sollte. Minister Luhut Pandjaitan war früher koordinierender Minister für Politik und Sicherheit. Ein Kenner der indonesischen Politik sagt: "Wenn der Präsident im Ausland etwas Dringendes zu erledigen hat, dann schickt er Luhut."
Und der machte in Berlin und mutmaßlich auch auf den anderen Stationen seiner Reise in Den Haag, Rom und Brüssel klar, dass Indonesien der EU-Position zu Palmöl ablehnend gegenüber steht: "Die EU braucht uns nicht zu belehren", sagte Luhut vor der Presse in Berlin und fragte: "Was wollt ihr mehr? Wir haben die EU-Umweltschutzvorschriften für Palmöl eingehalten. Unser Interesse liegt darin, die Armut zu bekämpfen. In den letzten drei Jahren hat sich unser Gini-Koeffizient stark verbessert, unter anderem auch wegen Palmölindustrie. Wenn die EU die Nutzung von Palmöl als Biokraftstoff verbietet, dann müssen die Kleinbauern um ihren Lebensunterhalt bangen. Deshalb brauchen wir eure Hilfe."
Umweltschützer: Jakarta versteht ökologische Argumente nicht
Diese Argumente des indonesischen Ministers will Mathias Rittgerott vom Verein "Rettet den Regenwald" nicht gelten lassen: "Die Aussage Luhuts zeigt, dass er die ökologischen Bedenken überhaupt nicht versteht. Es geht weder uns noch der EU um kleine Umweltvorschriften, sondern um die großen Fragen der Weiterexistenz von Leben auf diesem Planeten."
Dass die Kleinbauern von einer Beschränkung des Palmölexports betroffen wären, bestreitet der Umweltaktivist nicht. Aber er macht auch klar, dass gerade dort in punkto Umweltbewusstsein vieles im argen liegt: "Besucht man Kleinbauern vor Ort, so stellt man schnell fest: diese haben den Begriff 'Nachhaltigkeit' noch nie gehört. Sie wissen nicht, was RSPO (Runder Tisch zu Nachhaltigem Palmöl – Red.) ist, was Biosprit ist. Wir haben den Eindruck, Luhut weiß nichts von der Realität der Umweltschäden und nichts vom Leben der Kleinbauern." Und Rittgerott fügt hinzu: "Sollte der Minister mit EU-Umweltschutzvorschriften das RSPO-Siegel meinen: Aus unserer Sicht ist es vollkommen ungeeignet. Wir lehnen es als 'Greenwashing' ab." Tatsächlich sind laut Reuters bislang nur knapp vier Prozent der zwei Millionen Familienbetriebe in der Palmölwirtschaft Indonesiens und Malaysias von RSPO zertifiziert.
Sinn und Unsinn von Zertifizierungen
Der einzige Marktbereich, der bislang in der EU gesetzlich geregelt ist, sind Biokraftstsoffe. In allen anderen Bereichen ist die Zertifizierung eine Sache der Freiwilligkeit, worauf Agrarexperte Daniel May von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hinweist. Auch er gibt zu, "dass alle Zertifizierungssysteme Verbesserungsbedarf haben." Dennoch sieht er ihren Nutzen, inzwischen betrage der Anteil von zertifiziertem Palmöl in Deutschland bei Lebensmitteln 80 Prozent, aber bei Tierfutter erst bei maximal zehn Prozent, bei chemischen Anwendungen 10-20 Prozent. Die GIZ fordere im Rahmen der deutschen Initiative "Forum Palmöl" deutsche und europäische Unternehmen auf: "Kauft zertifizierte Ware, die ist am Markt, sprecht mit euren Lieferanten." Laut May wird ein großer Teil zertifizierter Ware als konventionelle Ware verkauft, weil es nicht genug Nachfrage unter anderem aus Deutschland gibt.
Was die möglichen Einschnitte beim Palmöl im Biosprit betrifft, so relativiert May deren Auswirkungen auf die Exportländer: "Wenn man sich die Steigerungsraten der Palmölnutzung der letzten zehn Jahre anschaut, dann wären die vier Millionen Tonnen Palmölexport, die wegfallen würden, wenn das vom Europäischen Parlament verlangte Verbot umgesetzt würde, innerhalb von zwei bis drei Jahren wieder ausgeglichen."
Klimapolitik oder Wirtschaftsinteressen?
Kein Ende des Palmöl-Booms also in Sicht, was die indonesischen und malaysischen Emissäre eigentlich beruhigen könnte, und Umweltschützer auf die Palme bringt, die sich wie Mathias von Rittgerott von der Kampagne "Rettet den Regenwald" über die EU-Haltung Sorgen machen: "Das EU-Parlament hat sich zwar gegen Palmöl im Biosprit ausgesprochen, es stehen aber noch die Entscheidungen der Kommission und der Mitgliedstaaten aus. Sollte etwa Spaniens Regierung sich pro Palmöl entscheiden, wäre der Druck weitgehend weg." Immerhin hat die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze bei den Gesprächen mit Luhut ihre "große Besorgnis" über den weiteren Palmöleinsatz im Kraftstoff geäußert, "vor dem Hintergrund der weiterhin andauernden Abholzung von Tropenwäldern in Südostasien und der dadurch entstehenden Treibhausgase."