Ringen um Friedensgespräche mit Taliban
27. Dezember 2015"Das Verhältnis Afghanistans zum Nachbarn Pakistan ist komplex" - so heißt es diplomatisch auf der Website des Auswärtigen Amtes in Berlin. Im Klartext: Beide Länder haben zwar gemeinsame Interessen, spielen aber auch mit verdeckten Karten und rivalisieren um Einfluss in der Region.
Das Grenzgebiet ist ein Rückzugsort für Aufständische aus beiden Staaten. Pakistan drängt Kabul, bei der Ergreifung jenes Mannes zu helfen, der das Schulmassaker von Peshawar vor einem Jahr befohlen hatte: Talibanführer Mullah Fazlullah. Er soll sich in Afghanistan verstecken. Umgekehrt haben andere Terroristen in Pakistan Unterschlupf gefunden. Schon lange wird Islamabad vorgeworfen, die aufständischen Taliban im Nachbarland zu unterstützen.
Gemeinsamer Feind: IS
Der Besuch des pakistanischen Armeechefs Raheel Sharif in der afghanischen Hauptstadt Kabul wurde daher mit Spannung erwartet - es war sein erster seit über einem halben Jahr. Die Gespräche mit Präsident Aschraf Ghani, Regierungschef Abdullah Abdullah und Verteidigungsminister Massum Stanesksai seien "fruchtbar" gewesen, erklärte der afghanische Regierungssprecher Dschawed Faisal.
Auch um die gemeinsame Terrorbekämpfung sei es bei den Treffen gegangen, sagte Faisal. Damit sind vermutlich Einsätze gegen Zellen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) gemeint. Der IS wird in beiden Ländern zunehmend aktiver. Das vergrößert auch die Schnittmenge der gemeinsamen Interessen - und könnte so ironischerweise den Friedensprozess befördern.
"Rumpf am Verhandlungstisch"
Dass Afghanistan nur zur Ruhe kommt, wenn auch die Taliban bei den Verhandlungen mit am Tisch sitzen, ist mittlerweile so gut wie unstrittig. Im Sommer waren erste Friedensgespräche mit den Aufständischen gescheitert, nachdem von unbekannter Seite die Nachricht vom Tode des langjährigen Talibanchefs Mullah Omar lanciert worden war. Das stürzte die Taliban in Nachfolgestreitigkeiten, die bis heute andauern. Anfang Dezember beschlossen die Regierungen in Kabul und Islamabad, noch einmal zu versuchen, die radikal-islamischen Kämpfer in die Verhandlungen einzubinden.
Experten gehen von einem mühsamen Prozess aus. Schon vor Jahren sei klar gewesen, dass nicht alle Beteiligten von Anfang an dabei sein würden, sagt der UN-Sondergesandte für Afghanistan, Nicholas Haysom. Es werde Gruppen geben, die nicht teilnehmen werden. "Unser Ziel muss es sein, den Rumpf an den Verhandlungstisch zu bekommen. Das sind die Vertreter der Regierung und der Kern der Taliban-Bewegung", so Haysom im Interview mit "tagesschau.de".
Gerade allerdings feiern die Taliban militärische Erfolge in der wichtigen Südprovinz Helmand, verüben einen Anschlag nach dem anderen und sagen Friedensgespräche explizit ab. Der ehemalige Taliban-Kontaktmann bei den Vereinten Nationen und Mitglied des Hohen Friedensrats, Abdul Hakim Mudschahid, versichert indes, die neue Talibanführung sei definitiv an Friedensgesprächen interessiert: "Mullah Achtar Mansur hat das mehrmals gesagt."
jj/qu (dpa, ap, tagesschau)