1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAsien

Pakistan baut an "Friedens-Pipeline" zum Iran

8. April 2024

Pakistan will mit 15 Jahren Verspätung den Bau einer Gaspipeline zur iranischen Grenze in Angriff nehmen. Gasimporte aus dem Iran unterliegen aber US-Sanktionen.

https://p.dw.com/p/4eVvJ
Iran Pakistan Gas Pipeline 2013
Bild: Atta Kenare/AFP/Getty Images

Es hätte eigentlich ein gigantisches Projekt werden sollen. Mit einer "Friedens-Pipeline" wollte der Iran das benachbarte Pakistan und auch Indien mit dort dringend benötigtem Erdgas versorgen - ungeachtet aller politischen Konflikte.

Die internationalen Sanktionen gegen den Iran machten aber einen Strich durch die Rechnung. Zunächst zog sich Indien zurück, Pakistan legte das Projekt auf Eis. Das soll sich nun ändern: Die neue Regierung in Islamabad plant, bald mit den Bauarbeiten zu beginnen.  

"Pakistan möchte einen möglichen Rechtsstreit mit dem Iran vor internationalen Gerichten und eine Geldstrafe in Höhe von 18 Milliarden US-Dollar verhindern", schreibt die pakistanische Journalistin Sabena Siddiqi auf Nachfrage der DW. Siddiqui, die auf außenpolitische Themen spezialisiert ist, fügt hinzu: "Teheran hat Islamabad eine Frist bis September 2024 gesetzt, um den Bau der Pipeline auf pakistanischer Seite abzuschließen.“  

Dafür möchte Pakistan eine Aufhebung der US-Sanktionen für Gasimporte aus dem Iran erreichen, wie der pakistanische Energieminister Musadik Malik Ende März der Presse mitteilte. Laut Siddiqi wird der pakistanische Teil der Pipeline soll 780 Kilometer lang sein. 

Exportpläne durchkreuzt von US-Sanktionen

Der Iran strebt seit den 1990er Jahren den Bau der Pipeline an. Ursprünglich sollte sie iranisches Gas sogar bis nach Indien transportieren. Aufgrund der US-Sanktionen gegen den Iran im Streit um das iranische Atomprogramm stieg Indien allerdings aus dem Projekt aus. Pakistan hat zwar 2009 ein Abkommen mit dem Iran unterzeichnet; setzte das Projekt bisher aber nicht um. Auf iranischer Seite ist die über 900 Kilometer lange Verbindung bereits vor zehn Jahren fertiggestellt worden. 

Pakistan | Hafen in Gwadar
Eine Pipeline soll Gas aus dem Iran bis zur Hafenstadt Gwadar im Südwesten Pakistans transportieren Bild: Tang Binhui/Xinhua/picture alliance

Jetzt hat Islamabad angekündigt, in den nächsten Wochen mit dem Bau der ersten 80 Kilometer der Gasröhre von der iranischen Grenze bis zur Hafenstadt Gwadar im Südwesten des Landes beginnen zu wollen. Das könnte eine potenzielle Klage wegen Vertragsverletzung seitens des Iran verhindern.

Nun sind aber die USA verärgert. "Wir unterstützen das Gaspipeline-Projekt Pakistan-Iran nicht", teilte das US-Außenministerium kürzlich mit. "Wir weisen jeden darauf hin, dass Geschäfte mit dem Iran das Risiko bergen, mit unseren Sanktionen konfrontiert zu werden. Wir raten jedem, dies sehr sorgfältig zu prüfen", erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums gegenüber Reportern in einer Pressekonferenz Ende März.

Gasknappheit beim Gasproduzenten

Pakistan sei derzeit mehr besorgt über mögliche Strafen in Milliardenhöhe als über Reaktionen aus den USA, schreibt der in Washington ansässige Experte für Energiediplomatie und Energiesicherheit Umid Shokri auf Anfrage der DW. 

Die Angst vor den saftigen Geldbußen überschattet offenbar auch den wohl eher geringen wirtschaftlichen Nutzen des Bauprojekts. "Islamabad ist sich bewusst, dass der Iran mit Problemen der Erdgasknappheit in seinem eigenen Land zu kämpfen hat", sagt der Experte Shokri. "Aufgrund der maroden Infrastruktur ist der Iran gar nicht in der Lage, Gas nach Pakistan zu exportieren." 

Der Iran verfügt zwar über die weltweit zweitgrößten Gasreserven, hinter Russland und gefolgt von Katar und den USA. Dennoch wird in fast jedem Winter im Iran Gas knapp. Behörden und Schulen werden abwechselnd geschlossen. Das Problem liegt nicht nur im übermäßigen Verbrauch von subventioniertem billigem Erdgas in den Haushalten und schlecht sanierten Gebäuden.

Das Land nutzt seine Energievorräte extrem ineffizient. In fast allen Industriezweigen, insbesondere in der Eisen-, Stahl- und Zementindustrie, kämpft der Iran mit einem hohen Energieverbrauch. Laut Informationen des "Statistical Review of World Energy" belegte der Iran im Jahr 2022 den vierten Platz auf der Liste der Länder mit dem höchsten Gasverbrauch der Welt. Nur die USA, Russland und China verbrauchten mehr Erdgas als der Iran.

"Aufgrund der US-Sanktionen fehlt dem Iran der Zugang zu Schlüsseltechnologien", sagt der Energieexperte Shokri. Er fügt hinzu: "Die Technologie heimischer Unternehmen reicht nicht aus, um die Produktionskapazität so zu steigern, dass der Iran tatsächlich Erdgas nach Pakistan exportieren könnte. Es sei denn, der Iran möchte russisches Erdgas an Pakistan liefern."

Bietet Russland einen Ausweg für den Iran?

Als Reaktion auf die US-Sanktionen strebt Teheran eine engere Zusammenarbeit mit Moskau an. Im Juli 2022 unterzeichnete der russische Energiekonzern Gazprom mit dem iranischen Ölunternehmen NIOC einen Kooperationsvertrag im Umfang von 40 Milliarden US-Dollar. Gazprom soll NIOC bei der Erschließung von zwei Gas- und sechs Ölfeldern unterstützen.

Der Iran würde aber nicht viel verdienen, wenn russisches Gas durch sein Territorium an Pakistan weitergeleitet würde. Die Chancen des Irans, einen Rechtsstreit gegen Pakistan erfolgreich durchzufechten, seien ebenfalls gering, vermutet die pakistanische Journalistin Siddiqi.

Ein möglicher Gerichtsort für den Iran könnte die Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht mit Sitz in Wien sein. "Angesichts der instabilen regionalen Situation, des Krieges in Gaza und der Rolle des Irans in einigen Krisen ist es äußerst unwahrscheinlich, dass Washington es erlauben würde, dass der Iran seine Klage erfolgreich vorantreibt", vermutet Siddiqi und fügt hinzu: "Stattdessen könnten die USA versuchen, Pakistan alternative Optionen für seine Energiesicherheit anzubieten."