Gut ausgebildet, schlecht bezahlt
14. Februar 2014Der ukrainische Arzt, der in Berlin Taxi fährt, die bulgarische Reinigungskraft mit Hochschulabschluss, der promovierte Chemiker aus Rumänien als Fensterputzer: beliebte Klischees über Zuwanderer, die in Deutschland weit unter ihrer Qualifikation arbeiten. Doch offenbar treffen sie gar nicht so selten zu: Das zumindest legt eine Statistik der Agentur für Arbeit nahe.
Demnach ist der Anteil der Niedriglöhner unter osteuropäischen Einwanderern besonders hoch: Im Dezember 2012 arbeiteten 53 Prozent von ihnen unterhalb der Niedriglohnschwelle, verdienten also weniger als zwei Drittel des Durchschnittseinkommens. Bei deutschen Beschäftigten sind das nur knapp 20 Prozent.
Überqualifiziert und unterbezahlt
Gleichzeitig nehme das Ausbildungsniveau der Einwanderer ständig zu, bestätigt Nina Neubecker vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): "Wir haben festgestellt, dass diejenigen, die seit 2004 nach Deutschland gekommen sind, deutlich qualifizierter sind als die Zuwanderer vergangener Jahre." Laut den Statistiken, die sie für eine DIW-Studie ausgewertet hat, können zwei Drittel von ihnen eine abgeschlossene Ausbildung oder ein Studium vorweisen. Differenziert man nach Herkunftsregionen, dann schneiden gerade osteuropäische Länder beim Ausbildungsniveau überdurchschnittlich gut ab.
Mehr noch: Die Studie kommt zu dem Schluss, dass ein großer Teil der Rumänen und Bulgaren, die seit 2007 nach Deutschland gekommen sind, einer Arbeit nachgehen, die nicht ihrer Ausbildung entspricht. Je nach Berechnungsmethode liegt der Anteil der Überqualifizierten bei 40 beziehungsweise 58 Prozent.
Einfach nur Diskriminierung - oder ein komplexes Problem?
Aus Sicht der Linkspartei rückt das die aktuelle Debatte über so genannte "Armutszuwanderung" aus Rumänien und Bulgarien in ein anderes Licht. Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag, spricht demgegenüber von einem "Armutszeugnis für die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland". Verantwortlich sei vor allem der allgemeine Trend zu Niedriglöhnen, der zunehmend zu Lasten der Einwanderer gehe: "Es ist eine systematische Diskriminierung, die da stattfindet", betonte die Bundestagsabgeordnete im DW-Interview. "Viele Arbeitgeber stellen Arbeitnehmer aus diesen Ländern zu niedrigeren Löhnen ein."
Nach Ansicht von Nina Neubecker kann Diskriminierung allein aber kaum die großen Unterschiede zu deutschen Beschäftigten erklären. Vermutlich sei dafür eine ganze Reihe von Faktoren verantwortlich: "Wir haben zum Beispiel auch ganz deutlich gesehen, dass viele Zuwanderer seltener über einen berufsqualifizierenden Abschluss verfügen als Deutsche", sagte die Wirtschaftswissenschaftlerin der DW. In vielen Ländern, auch innerhalb der EU, ist eine klassische Berufsausbildung nicht so weit verbreitet wie in Deutschland.
Flickenteppich Deutschland
Eine weitere wichtige Ursache sei, dass viele ausländische Abschlüsse in Deutschland nicht anerkannt werden - oder nur mit großem Aufwand: "Da wird Potenzial nicht richtig genutzt", bemängelt die Wissenschaftlerin.
"Ich denke, es wird einfach zu wenig getan, um diese Anerkennungsverfahren schnell durchzuziehen - das wäre aber gerade im Sinne des Fachkräftebedarfs dringend nötig", kritisiert auch die Linken-Politikerin Sabine Zimmermann. Der verwirrende deutsche "Zuständigkeitsdschungel" sei ein weiteres großes Hindernis: Für Erzieherberufe, Pflege- oder Lehrkräfte sind die Länder zuständig, für andere der Bund.
Wir arbeiten daran, heißt es aus den Bundesländern: Zum Beispiel wollen sie die Zugänge zu Gesundheitsberufen künftig einheitlich regeln. Bisher ist Deutschland in dieser Hinsicht ein wahrer Flickenteppich: Das heißt, wenn ein Rumäne in Nordrhein-Westfalen als Altenpfleger arbeiten darf, kann er das noch lange nicht in Bayern tun. In fünf Bundesländern haben Zuwanderer bisher noch nicht einmal einen Anspruch darauf, dass ihre Berufs- oder Schulabschlüsse geprüft werden.