Schwierige Rückgabe jüdischen Eigentums
1. Mai 2017Die Europäische Union fordert die betroffenen Länder auf, den internationalen Abkommen zur Rückgabe nachzukommen. Darunter sind sogar EU-Mitglieder. Im Fokus stehen insbesondere Bosnien-Herzegowina und Polen. Beide Länder haben bislang keine Rückgabevereinbarung für Vermögen getroffen, das währender der Nazi-Herrschaft oder später im Kommunismus entwendet wurde oder in staatlichen Besitz überging, so die Studie.
Ihre Autoren stellen fest, dass zwar beide Länder während des Zweiten Weltkriegs ein Gesetz zur Rückerstattung erlassen hatten, das jedoch durch sogenannte "nationalstaatliche Prinzipien" der kommunistischen Regierungen in beiden Ländern nur kurz angewendet wurde.
Die Studie, die umfassend die Rückerstattungen in zahlreichen Ländern untersucht hat, nahm die Länder Kroatien, Litauen, Mazedonien und Slowenien von ihren Vorwürfen aus.
Notstand beseitigen
Dabei hatten bereits 2009 sowohl Polen als auch Bosnien als zwei von 46 Staaten die die sogenannte Terezin-Erklärung befürwortet und einer umfassenden Rückerstattung von Vermögen zugestimmt.
In der Terezin-Erklärung werden die teilnehmenden Staaten aufgefordert, alles zu unternehmen, um die Folgen von unrechtmäßigen Beschlagnahmungen und Zwangsverkäufen von jüdischem Besitz während des Zweiten Weltkrieges zu beheben. Es handelt sich um Vermögenswerte, die nach heutigen Preisen zum Beispiel für Immobilien oder Kunstgüter fast 130 Milliarden Euro wert wären. Von dieser Summe wurden bislang weniger als 20 Prozent erstattet, so die Studie.
Unklare Verhältnisse in Polen
Polen war früher ein Zentrum jüdischen Lebens in Europa. Rund 3,3 Millionen Juden lebten dort, bevor das NS-Regime 90 Prozent der jüdischen Bevölkerung ermordete.
Nach dem Krieg gab es zuerst Bemühungen, den enteigneten Juden ihren Besitz zurückzugeben. Doch wurde dieser Plan durch die Machtübernahme der Kommunisten durchkreuzt. Wie die Studie ermittelt, kam es schließlich sogar zu weiteren Enteignungen, diesmal durch die kommunistischen Behörden.
Seit dem Zusammenbruch des Kommunismus im östlichen Europa und der anschließenden Demokratisierung 1989/90 hat Polen nach Darstellung jüdischer Organisationen jedoch die Sachwerte, die unter deutscher Besatzung beschlagnahmt und später unter dem Kommunismus verstaatlicht wurden, nicht zurückgegeben.
"Polen ist das einzige Mitglied der Europäischen Union und ehemaliges Mitglied des Warschauer Pakts, das in der postkommunistischen Ära keine umfassende privatrechtliche Rückerstattungsgesetzgebung verabschiedet hat", heißt es in der Untersuchung.
"Sie werden verkauft"
In Polen ist die Eigentumsrückgabe ein langwieriger und schwieriger Weg für jüdische Kläger. Das liegt zum Teil an der Gesetzgebung von 1997, die immer noch von Gesetzen aus der kommunistischen Zeit beeinflusst ist. So muss zum Beispiel ein Kläger, um mit seinen Ansprüchen erfolgreich zu sein, erst einmal beweisen, dass die Verstaatlichung des Eigentums den rechtlichen Bedingungen aus der Zeit der kommunistischen Ära widersprochen hätte.
Jehuda Evron, Holocaust-Überlebender und einer der mehr als 3000 jüdischen Klägern gegen Polen, sagte, dass die polnischen Behörden kaum etwas getan hätten, um ihnen zu helfen. "Anstatt diese Immobilen zurückzugeben, werden sie an polnische und ausländische Investoren verkauft. In den meisten Fällen dauern die Prozesse mit den polnischen Gerichten mehrere Jahre, und selbst wenn Sie Ihren Fall vor Gericht gewinnen, dauert es wiederum Jahre, ehe Sie ihren Besitz zurückbekommen", sagte Evron im vergangenen Jahr gegenüber der englischsprachigen Zeitung "The Krakow Post".
Europas Versprechen
Gideon Taylor, der beim Jüdischen Weltkongress mit der Rückgabe von gestohlenem Vermögen betraut ist, sagt, die Opfer des Holocaust sollten auf die Unterstützung des Europäischen Parlaments und der EU-Staaten setzen, um die betroffenen Länder zu drängen, endlich "ihre Verantwortung für die Holocaust-Überlebenden und deren Angehörigen zu übernehmen."
"Zu viele der Überlebenden leben in Armut, ohne adäquate wohlfahrtsstaatliche Unterstützung, während einige Staaten und Personen weiterhin von den Vermögenswerten profitieren, die dem jüdischen Volk damals unrechtmäßig gestohlen wurden", fügte Taylor hinzu.
Trotz der Bemühungen der europäischen Staaten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, das Eigentum an seine rechtmäßigen Erben oder entsprechende Organisationen zurückzugeben, existieren immer noch erhebliche Vermögenswerte, die damals unrechtmäßig beschlagnahmt wurden.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es bei einer Reihe von Ländern erhebliche Fortschritte gegeben hat. Dagegen bestehen in den postkommunistischen Ländern Osteuropas bei der Rückgabe von Eigentum noch Defizite.
Auch der schwedische Europaabgeordnete Gunnar Hökmark, der zu dem Thema eine Konferenz in Straßburg veranstaltet hat, forderte die EU-Nationen auf, mehr für jüdische Kläger zu tun, vor allem in Osteuropa.
"Bei der Rückgabe des Eigentums geht es um mehr als Eigentum. Es ist die Rückgabe der Gerechtigkeit, der Fairness und der menschlichen Anständigkeit", sagte Hökmark.