Oslo: Nationalmuseum eröffnet
11. Juni 2022Mit einer feierlichen Zeremonie hat die norwegische Königsfamilie am Samstag das Gebäude des Nationalmuseums in Oslo eröffnet. Damit sind erstmals die Sammlungen von fünf Osloer Institutionen - Nationalgalerie, Kunstindustriemuseum, Museum für zeitgenössische Kunst, Architekturmuseum und Reichsausstellungen - unter einem Dach gebündelt. Damit ist das Nationalmuseum neben der neuen Stadtbibliothek, der Deichman-Bibliothek, und dem Munch-Museum der dritte Kulturbau, der in den vergangenen zwei Jahren fertiggestellt wurde. "Oslo und Norwegen präsentieren sich als ein neues Kunst- und Kulturziel", sagte Museumsdirektorin Karin Hindsbo. "Die Augen der Welt sind jetzt auf uns gerichtet."
15.000 Gratistickets waren für das Eröffnungswochenende vergeben worden. Als erste offizielle Besucherinnen und Besucher durften Königin Sonja (85) und Ehemann König Harald V. (85) - er kam auf zwei Krücken gestützt - sowie Kronprinz Haakon und Kronprinzessin Mette-Marit (beide 48) durch das Museum streifen.
Kunst aus verschiedensten Epochen und Regionen
Insgesamt 6500 Werke und 400.000 Gegenstände versammelt das Nasjonalmuseet, wie es die Norwegerinnen und Norweger nennen. Schon in der Eingangshalle wird klar, dass auf solide Qualität gesetzt wurde: Der Boden ist mit Krensheimer Muschelkalk ausgelegt, die Wände sind mit vertikal geschnittenem Schiefer und dunklen Eichenpaneelen verkleidet, die Toilettenwände sind aus Marmor. Kostenpunkt für das neue Museum: etwa 600 Millionen Euro.
Die Sammlungen, die sich auf 55.000 Quadratmetern erstrecken, sind so vielfältig, dass ihre Besichtigung an einem Tag nicht zu schaffen ist: In den 86 Räumen finden sich nicht nur Gemälde aller Epochen, sondern auch chinesische Vasen der Ming-Dynastie, antike Büsten römischer Herrscher, die Garderobe der norwegischen Königinnen Maud und Sonja sowie Skulpturen des Bildhauers Gustav Vigeland. Wie in alten Schlössern, die heute als Museen fungieren, sind die Säle aneinandergereiht.
Edvard Munch - Norwegens Star-Maler
Dem Maler Edvard Munch wurde ein eigener Raum gewidmet. Unter den insgesamt 57 Werken, die das Museum in seinem Besitz hat, ist auch eine Ausgabe seines berühmten "Schreis". Auch zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler haben ihren Platz in dem Museum: In der Eingangshalle etwa hängt ein Vorhang aus 200 Schädeln von Rentieren, die alle ein Einschussloch haben. Das Werk der samischen Künstlerin Máret Ánne Sara ist ein Protest gegen die 2013 von der norwegischen Regierung angeordnete Zwangstötung von Rentieren, um die Bestände zu begrenzen. 2017 war das Werk auf der documenta in Kassel zu sehen.
Kleihues+Schuwerk: Deutsch-italienische Kooperation
In der Lichthalle, die dem steinernen Gebäude aufgesetzt ist, wird ebenfalls Zeitgenössisches gezeigt. "Ich nenne es Kunst" lautet der Titel der dortigen Eröffnungsausstellung, die vor allem jüngere Menschen ansprechen soll. Zu sehen sind die Werke von 147 Künstlerinnen und Künstlern, die in Norwegen arbeiten - und viele haben bereits vor der Eröffnung Diskussionen ausgelöst. So das humorvolle Porträt der norwegischen Königsfamilie von Lena Trydal, auf dem König Harald im Unterhemd auf dem Thron sitzt und sich Königin Sonja im lässigen Hipster-Outfit das Handy ans Ohr hält.
Der deutsche Architekt Klaus Schuwerk, der das Museum mit seinem Büro kleihues + schuwerk geplant hat, bezeichnete die Ausstellung als einen "Flohmarkt", Museumsdirektorin Karin Hindsbo aber begrüßt es, dass sie heiß diskutiert wird: "Unsere Vision ist es, Kunst für alle zugänglich zu machen und die Gesellschaft und Zeit, in der wir leben, zu reflektieren."
Kunstpalast für Oslo
Die Halle, die Schuwerk "Alabasterhalle" nennt, ist dann das i-Tüpfelchen des massiven Museumsbaus. Ihre sieben Meter hohen Wände sind aus Glas und dünnstem Marmor, der das Licht durchscheinen lässt. Hier gibt es Wechselausstellungen - die die Kuratorinnen und Kuratoren jedoch vor Herausforderungen stellen dürften. Denn in die Wände kann man keine Nägel schlagen. So hängen viele Werke von der Decke, schweben im Raum.
Zu guter Letzt bietet die zugängliche Dachterrasse einen wunderbaren Blick auf die Nachbarn: das rote Rathaus der Stadt, das Nobel-Friedenszentrum, die mittelalterliche Festung Akershus in der Ferne und den Oslofjord.
Das neue Nationalmuseum am Osloer Hafen sei "ein Gebäude, das viele hundert Jahre überdauern kann", meint Architekt Klaus Schuwerk.
bb/hin (dpa)