Terrorismus im Kino
22. Februar 2009Zuletzt sorgte der Fernsehfilm "Mogadischu", der Ende vergangenen Jahres in Deutschland gezeigt wurde, für Aufsehen. Regisseur Roland Suso Richter und Drehbuchautor Maurice Philip Remy hatten sich in dem Film über die Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut" im Jahre 1977 vor allem mit den Opfern beschäftigt. Damit setzen sie sich ganz bewußt von vielen anderen Fernseh- und Kinofilmen über den RAF-Terrorismus ab. Vor allem dem stargespickten "Baader-Meinhof Komplex" über die wichtigsten Führungsfiguren der ersten RAF-Generation war vorgeworfen worden, dass er zu sehr auf die Perspektive der Terroristen setzt und sich kaum um die Opfer kümmert.
Ein deutsches Thema
Oft hat man dem deutschen Kino vorgeworfen, sich nicht genügend mit der politischen und gesellschaftlichen Realität zu beschäftigen. Auf das Thema Terrorismus trifft das nicht zu. Schon auf dem Höhepunkt des RAF-Terrors Ende der 1970er Jahre "begleiteten" die Regisseure des Neuen Deutschen Films die gesellschaftlichen Umbrüche und die terroristischen Aktivitäten der Baader-Meinhof-Gruppe. Der Episodenfilm "Deutschland im Herbst" von Fassbinder, Schlöndorff, Kluge, Reitz und Co. war ein vielbeachteter Kommentar des Kinos, der sich mit verschiedenen Aspekten des Terrors in Deutschland auseinandersetzte. Filme wie "Stammheim", "Die bleierne Zeit" und "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" standen für ein engagiertes Kino einer politischen orientierten Generation von Filmemachern in Deutschland.
Die Opfer wurden ausgeblendet
Meist standen die Täter, also die Terroristen, im Mittelpunkt dieser Filme. Daran änderte sich auch später kaum etwas. "Die Stille nach dem Schuss", "Die innere Sicherheit" und "Baader" machten da in den letzten Jahren keine Ausnahme. Und auch der teure und aufwendig produzierte RAF-Film von Bernd Eichinger und Uli Edel wirft eher Schlaglichter auf die Biografien von Ulrike Meinhof, Andreas Baader oder Gudrun Ensslin. Dabei sollte man den Filmemachern gar keine unlauteren Motive unterstellen. Wie in anderen Filmgenres auch gelten auch im Terrorismusfilm bestimmte dramaturgische Spielregeln. Und die besagen eben - so zynisch das klingen mag - , dass die Geschichte der Täter "spannender" und "aufregender" im Kino zu erzählen ist als die der Opfer.
Der renommierte Drehbuchautor Felix Huby mutmaßt auch eine Art Scheu der Filmemacher: "Das Leiden des Opfers, aber auch der Umgang der Lebenden mit dem Sterben wird links liegen gelassen. Das mag an der Scheu der Autoren liegen, den Tod zu nahe an sich heranzulassen."
Ausnahmefilm "Messer im Kopf" (1978)
Regisseur Reinhard Hauff, der 1986 auch den Stammheim-Prozess im Spielfilm nachzeichnete, gelang acht Jahre zuvor in seinem Film "Messer im Kopf" die beeindruckende Studie eines Mannes, der unschuldig in die Wirren der Terrorfahnung gerät. Durch einen Schuß schwer verletzt, verliert der irrtümlich als Terrorist verdächtigte Wissenschaftler Hoffmann (Bruno Ganz) für längere Zeit Sprache und Erinnerungsvermögen. Auch wenn die Kugel in Hoffmanns Kopf aus einer Polizeipistole stammt, so ist "Messer im Kopf" doch vor allem eine eindringliche Studie über das Leid eines Individuums und die schwierige Rückkehr zurück ins Leben. Drehbuchautor Peter Schneider hatte sich bei seiner Arbeit unter anderem vom Attentat auf Rudi Dutschke inspirieren lassen. "Messer im Kopf" gilt bis heute als einer der wenigen Filme, die sich mit den Opfern des deutschen Terrorherbstes auseinandersetzen.
Streitpunkt "Baader-Meinhof-Komplex"
Als der "Baader-Meinhof-Komplex" von Produzent Bernd Eichinger Ende September in die Kinos kam, war die Debatte über die Qualität des Films bereits voll entbrannt. Nach ein paar wenigen positiven Vorabkritiken wurde das teure Epos dann vom überwiegenden Teil der Kritik in der Luft zerrissen. Der Film habe keine Haltung, bemängelten die meisten Rezensenten, Bilder und Effekte würden sich "gegenseitig überholen und auslöschen".
Stars wie Martina Gedeck und Moritz Bleibtreu würden kaum hinter die Filmfiguren zurücktreten. "Einen gewaltigen Geschichtsporno" nannte ein Publizist das Werk.Dem Film wurde auch vorgeworfen, sich mit der üblichen Täter-Perspektive zu begnügen. Geschildert würden nur die Biografien der Hauptaktivisten der RAF. Den Ermordeten blieben - wie schon in den RAF-Filmen aus früheren Jahren - nur Statistenrollen. Angehörige von Opfern wehrten sich gar mit juristischen Mitteln gegen den Film. Dass er trotzdem Oscar-Chancen hat, liegt an etwas ganz anderem: Die Amerikaner lieben die Aufarbeitung von Geschichte im Action-Kino. Außerdem ist der Film mit vielen deutschen Stars besetzt und ein veritabler Kassenerfolg.