Polnische Opposition kritisiert Schulz
12. Januar 2016Die Warnung des Vorsitzenden des Europäischen Parlaments Martin Schulz, von der angeblichen Zerstörung der Institutionen des demokratischen Rechtstaats in Polen, sowie die Drohung, ein EU-Prüfverfahren gegen das Land einzuleiten, wurden am Dienstag zum Thema des Gespräches der national-konservativen Premierministerin Beata Szydlo (PiS) mit Spitzenvertretern aller im polnischen Parlament (Sejm) vertretenen Parteien. Die PiS-Politiker weisen die Kritik zurück und sehen darin die unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten Polens.
Krystyna Pawlowicz, Ikone der radikalsten PiS-Wähler, bringt gleich die schwersten Kanonen in die Stellung. "Bevor ihr Deutschen zur "Bestrafung" Polen mit euren Sanktionen belegt, dafür das wir die Vertreter Eurer Interessen in unserer Heimat weggejagt haben, sollt ihr zuerst eure historische Schuld gegenüber Polen begleichen“, schrieb Sie auf Ihrem Facebookprofil. Die Sanktionen gegenüber Warschau brachte vor Kurzem der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag Volker Kauder (CDU) in einem Interview ins Gespräch.
"Verteidigt eure Frauen und nicht unsere Demokratie"
Etwas dezenter als Pawlowicz, doch in der Sache eindeutig, äußerte sich auch der stellvertretender Premierminister und Bildungsminister Jaroslaw Gowin, der zu den moderaten PiS-Politikern gezählt wird. In einem Interview für den Nachrichtensender TVN24 lobte er die Fans der polnischen Volleyball-Nationalmannschaft, die jüngst bei einem Spiel gegen Deutschland ein Transparent mit der Aufschrift "Verteidigt eure Frauen und nicht unsere Demokratie" medienwirksam gezeigt haben. Dies sei "die richtige Problemstellung, mit der die Deutschen konfrontiert werden“, ironisierte Gowin in Anspielung auf die sexuellen Angriffe gegen Frauen in der Silvesternnacht in Köln.
Und erpressen will man sich gar nicht lassen. Mehrere PiS-Politiker, darunter auch der Außenminister Witold Waszczykowski, haben klar gestellt, dass nicht mal die in mehreren deutschen Medien geforderte Einschränkung der EU-Subventionen die Partei von Jaroslaw Kaczynski von ihrem Kurs abbringen kann.
Auch die mit PiS sympathisierenden Medien gehen mit der deutschen Kritik nicht zimperlich um. Die Wochenzeitschrift "W sieci" zeigte auf ihrem Titelbild Martin Schulz und Angela Merkel neben der Zarin Katharina und österreichischen Kaiser Franz II. gebeugt über die Karte Polens: Eine boshafte Anspielung an die Teilung Polens im 18. Jahrhundert. Der Titel "Verschwörung gegen Polen" lässt erahnen, wie wütend man auf die deutsche Kritik ist. Sollen die seit einigen Tagen unter die Regierungskontrolle gestellten, bislang öffentlich-rechtlichen Medien, mit PiS-nahen Journalisten besetzt werden, könnten derartige Interpretationen bald Zugang zur breiten Öffentlichkeit finden.
"Wir werden selbst damit fertig"
Auch die Vertreter der Opposition gehen auf Distanz zu Äußerungen von Schulz. Die Worte des Präsidenten des Europäischen Parlamentes werden als "wenig hilfreich" beurteilt.
"Martin Schulz zieht manchmal schlagkräftige Formulierungen der inhaltlichen Auseinandersetzung vor", sagt Kamila Gasiuk-Pihowicz, Sejm-Abgeordnete der Partei Nowoczesna (Modernes Polen). "Solche Politiker findet man überall. Es war jedoch beleidigend für die Polen, weil die Demokratie in unserem Land immer noch funktionert", meinte die rechts-liberale Oppositionspolitikerin in einem Interview für das Online-Portal Wirtualna Polska.
Gasiuk-Pihowicz betont, dass man es in Polen weder mit der Ermordung von Journalisten noch mit einem Waffengang wie in Russland zu tun habe. "Wir haben in Polen eher mit einer Orbanisierung als mit Putinisierung zu tun", meinte sie. Auch die Vertreter der bis Oktober 2015 regierenden liberalen Bürgerplattform (PO) scheinen mit den Äußerungen von Schulz nicht glücklich zu sein. "Wir müssen das Image Polens in der EU retten", schrieb als Kommentar auf Twitter der Fraktionsvorsitzende der PO Slawomir Neumann.
"Statt Probleme zu mildern, wird er selbst zum Problem"
"Martin Schulz ist kein Politiker, der moderierend wirken kann, was ausgerechnet ein Präsident des Europäischen Parlamentes machen sollte", stellt Piotr Semka, Kommentator der Wochenzeitung "Do Rzeczy" fest. "Statt Probleme zu mildern, wird er selbst zum Problem", betont er. Die Kritik deutscher Politiker und Medien mache in Polen einfach einen schlechten Eindruck und wecke dabei sehr unangenehme Assoziationen, so wie etwa das Wort "Aufsicht", das vom deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger verwendet wurde. "Die Wortwahl ist hier aber nicht entscheidend. Entscheidend ist die Frage, wie weit die EU in die innenpolitische Diskussion in Polen eingreifen kann", meint Semka und unterstreicht, dass die jüngsten Gesetze zur Reform des Verfassungstribunals und der öffentlich-rechtlichen Medien von einem demokratischen gewählten Parlament beschlossen wurden.