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EU-Parlament debattiert Ungarns Mediengesetz

19. Januar 2011

Der ungarische Premier Orban hat im Europäischen Parlament als neuer EU-Ratspräsident über alles Mögliche gesprochen, nur nicht über das umstrittene Mediengesetz in Ungarn. Eine verpasste Chance, meint Bernd Riegert:

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Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die Europäische Kommission und selbst konservative Regierungschefs, also Kollegen, von Viktor Orban, kritisieren das ungarische Gesetz zur Gängelung der Medien. Es ist offensichtlich, dass der ungarische Ministerpräsident mit dem Gesetz weit über das Ziel hinaus geschossen ist. Die Debatte im Europäischen Parlament drehte sich nur noch um das Mediengesetz, die wahrscheinlich guten ungarischen Absichten für die sechs Monate dauernde Ratspräsidentschaft der EU traten völlig in den Hintergrund. Orban, der teilweise scharf angegriffen wurde, hätte die Chance nutzen und eine Änderung des Gesetzes ankündigen sollen. So hätte er den Kritikern den Wind aus den Segeln genommen und sich als einsichtiger Europäer gezeigt.

Stattdessen beharrte er darauf, dass Mediengesetz sei allein nationale Sache und er sei nur missverstanden worden. Das "starke Europa", das Orban als Motto seiner Präsidentschaft ausgerufen hat, kann sich so nicht entfalten. Der ungarische Ministerpräsident plädierte dafür, Erweiterungsmüdigkeit zu überwinden und Kroatien ein konkretes Aufnahmedatum für die EU zu nennen. Dem kann man nur zustimmen, allerdings sollte sich Victor Orban einmal überlegen, dass Kroatien nicht aufgenommen könnte, hätte es ein Mediengesetz wie Ungarn, das so offensichtlich gegen den Grundwert der Pressefreiheit verstößt.

Bernd Riegert

Das ist einer der Konstruktionsfehler der Europäischen Union: Sie hat zwar großen Einfluss auf die Beitrittskandidaten, aber kann nur noch wenig tun, wenn ein Mitgliedsland den Pfad der politischen Tugend verlässt. Der ungarische Regierungschef kündigte an, er sei nicht eitel und das Mediengesetz sei für ihn keine Prestigefrage. Wenn dem so ist, dann sollte er das lästige Gesetz möglichst bald kompatibel mit europäischen Normen machen. Natürlich versuchen auch andere europäische Regierungen ihre Medien zu beeinflussen, aber keine hat sich bislang ein solches Gesetz gegönnt, das ihr die faktische Kontrolle der Medieninhalte ermöglicht.

Viktor Orban kann ungehindert und ungehemmt schalten und walten, weil er vom ungarischen Wähler mit einer komfortablen Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament ausgestattet wurde. Das Mediengesetz ist nur ein Ausschnitt aus seinen Bemühungen, Staat, Verwaltung und Justiz mit getreuen Anhängern seiner konservativen Fidesz-Partei zu besetzen. Die Wirtschaftspolitik wird nach dem Rauswurf des Internationalen Währungsfonds "patriotischer" gestaltet, nationale Propaganda in Öffentlichen Gebäuden, Begrenzung der Befugnisse für das Verfassungsgericht. All dies lässt bei vielen europäischen Abgeordneten, und nicht nur bei den linken Opposition, die Alarmglocken schrillen.

Noch kann Viktor Orban umsteuern, wenn er seine EU-Präsidentschaft von dem Eindruck befreien will, er wolle den starken Mann markieren und die ungarische Demokratie gefährden. Vom "Führerstaat" oder totalitären Verhältnissen, von denen einige Zeitungen in Europa geschrieben haben, ist Ungarn noch weit entfernt. Dass das so bleibt, dafür können auch die übrigen konservativen Staats- und Regierungschefs sorgen. Sie sollten öffentlich und im privaten Gespräch Druck auf Orban ausüben, eine plurale ungarische Demokratie samt dazu gehörender freier Medien weiter zuzulassen.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Beate Hinrichs