Opel-Chef wirft das Handtuch
12. Juni 2017Zu seinem Nachfolger wurde der bisherige Opel-Finanzchef Michael Lohscheller ernannt. Damit werde ein nahtloser Übergang des Unternehmens an PSA gesichert. Neumann erklärte, es sei "eine schwierige, persönliche Entscheidung" gewesen.
Das Motto "Umparken im Kopf" hat Opel-Chef Karl-Thomas Neumann offenbar wörtlich genommen. Er wollte offenbar den Besitzerwechsel von General Motors zur Peugeot-Mutter PSA nicht mitmachen. Seit den ersten Nachrichten über den Deal gab es Spekulationen über einen Abschied des 56 Jahre alten Neumanns, dem eine Unterordnung unter PSA-Chef Carlos Tavares nicht zugetraut wurde. Schließlich hat Neumann den traditionsreichen Autobauer, der seit 1929 zum US-Konzern General Motors (GM) gehört, seit 2013 weitgehend eigenständig gelenkt.
Image aufpoliert
Selbst Kritiker respektieren die griffige Werbung, das frische Image und die technisch stark verbesserte Produktpalette der Marke Opel. Was dauerhaft fehlt, war und ist der wirtschaftliche Erfolg, denn auch Neumann schaffte es nicht, das GM-Europageschäft endlich aus den roten Zahlen zu steuern. Es gab dafür auch externe Gründe wie den Ausfall des russischen Marktes und die Schwäche des britischen Pfunds nach der Brexit-Entscheidung. Doch offenbar hatte GM-Chefin Mary Barra das Vertrauen verloren und ließ sich auf die mittlerweile schon weit gediehenen Verkaufsgespräche mit den Franzosen ein.
Die haben unter Tavares ihre Kosten im Griff, wie Neumann schon bei der 2012 begonnenen gemeinsamen Entwicklung neuer Familien-Autos beobachten konnte. Neumann soll nicht gerade zu den ersten gehört haben, die von Barra über das Milliarden-Geschäft unterrichtet wurden. Dass Opel nun wohl ohne seinen technik-affinen Leitwolf nach Paris umparken muss, schwächt die Position des Unternehmens im neuen Konzern, glaubt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer vom Car-Institut der Universität Duisburg-Essen.
Den Chef übergangen
Schon während der Übergangsarbeiten konnte Neumann seine neue Machtlosigkeit erleben, wenn Betriebsräte und IG Metall die vereinbarten Produktions- und Entwicklungsvolumina in einem Tarifvertrag festschreiben wollten. Ihre Verhandlungspartner dafür kamen vom Mutterkonzern GM, der ein Übergangsteam nach Rüsselsheim entsandt hatte.
Die Verteilungskämpfe mit PSA gehen erst nach dem Betriebsübergang so richtig los, denn die bestehenden Aufträge, die auch weiterhin von GM kommen sollen, reichen nur begrenzt. Die Franzosen sollen für das GM-Europa-Geschäft inklusive der britischen Opel-Schwester Vauxhall und der Finanzsparte rund 2,2 Milliarden Euro zahlen. Opel beschäftigt mit seiner britischen Schwestermarke Vauxhall in Europa etwa 38.000 Mitarbeiter, die Hälfte davon in Deutschland. Vor allem das firmeneigene Entwicklungszentrum (ITEZ) mit rund 7700 Mitarbeitern in Rüsselsheim hat bei einer Fusion mit PSA viel zu verlieren, schließlich beschäftigen die Franzosen in den eigenen Zentren auch rund 14.000 ebenso kundige Experten.
Sorgen in Rüsselsheim
Bislang wurden im ITEZ komplette Autos geplant, künftig könnte es bei vielen Modellen nur noch eine Art Fein-Tuning sein, damit sich der Opel zumindest äußerlich von seinen Schwestermodellen der anderen Konzernmarken Peugeot, Citroen oder DS unterscheidet. Die Tendenz ist klar: Trotz bereits angelaufener Arbeiten wurde vor wenigen Wochen der für 2019 geplante Opel Corsa auf eine PSA-Plattform verschoben, weil diese sehr viel kostengünstiger ist.
Neumann ist in den vergangenen Jahren stets als starker Verfechter der Elektro-Mobilität aufgetreten, wollte Opel sogar vollständig auf diesen Antrieb umstellen und Rüsselsheim zum entscheidenden Entwicklungszentrum machen. PSA-Chef Tavares verlangt hingegen vom Opel-Management, bis 2020 wieder profitabel zu werden - bei großen Investitionen in die E-Mobilität wäre diese Vorgabe utopisch.
Autoexperte Dudenhöffer weist darauf hin, dass es mit der Elektro-Kompetenz bei Opel so weit dann auch nicht her sei, schließlich wird das durchaus attraktive Elektro-Auto Ampera-E wie schon sein Vorgänger ausschließlich in den USA gebaut. Auch habe Neumann den Umbruch zu schnell geplant. Die Zukunft des drahtigen Marathon-Läufers Neumann ist noch unklar. Der Elektro-Ingenieur hat in seiner Laufbahn für Motorola, Continental und in mehreren Positionen für den Volkswagen-Konzern gearbeitet und würde laut FAS gerne in der Branche bleiben.
wen/ul (dpa, rtrd)