"Kakao-Opec" - Länder wollen Mindestpreis
19. Juni 2019Ghana und die Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) sind die größten Kakao-Produzenten der Welt - rund zwei Drittel der weltweiten Kakaobohnen stammen von hier. Gemeinsam versuchen die beiden westafrikanischen Länder jetzt, einen Mindestpreis für Kakao durchzusetzen. 2600 US-Dollar pro Tonne fordern sie ab der kommenden Verkaufssaison.
Internationale Einkäufer hätten dem während eines Treffens in Ghanas Hauptstadt Accra in der vergangenen Woche grundsätzlich zugestimmt, Details müssten aber noch geklärt werden, sagte Joseph Boahen Aidoo, Chef des Ghana Cocoa Board, einer von der Regierung eingesetzen Organisation, die Bauern vor zu niedrigen Preise schützen soll. Das Treffen sei "historisch", so Aidoo, "es ist das erste Mal, dass sich Kakao-Erzeuger und Käufer zusammensetzen und über den Preis sprechen."
Armut und Kinderarbeit
Bisher wird der Kakao-Preis täglich an den Rohstoffbörsen in London und New York bestimmt. "Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, welche Kosten die Bauern für ihre Plantagen haben, oder ob sie genügend Geld verdienen, um drei Mahlzeiten am Tag zu haben und ihre Kinder in die Schule zu schicken. Den Preis macht die Börse", sagt Friedel Hütz-Adams, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bonner Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene und Hauptautor einer Studie zum Kakaopreis, die mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) herausgegeben wurde.
Die meisten Kakaobauern und ihre Familien leben unterhalb der von der Weltbank festgelegten absoluten Armutsgrenze von zwei US-Dollar pro Tag, sagt sogar die International Cocoa Initiative (ICI), eine von Schokoladenkonzernen finanzierte Schweizer Stiftung zum Schutz von Kinderrechten. In westafrikanischen Kakaofarmen ist Kinderarbeit verbreitet. "Um die Arbeitskosten zu reduzieren, lassen Eltern ihre Kinder auf den Feldern arbeiten, anstatt sie zur Schule zu schicken", schreibt ICI.
Doch warum pflanzen Bauern überhaupt Kakao an, wenn sie davon nicht leben können? Weil sie nicht so einfach ihre Nutzpflanzen wechseln können, sagt Hütz-Adams von Südwind. Der Kakao-Anbau erfordert jahrelange Vorarbeit: Felder müssen gerodet, Setzlinge gepflanzt und aufgezogen werden. "Nach fünf bis sechs Jahren bringen die neueren Sorten die optimale Ernte, dann kann eine Plantage 20 bis 25 Jahre betrieben werden." Wenn der Kakaopreis fällt, können Bauern also nicht einfach etwas anderes anbauen. Ihnen bleibt nur die Hoffnung, dass sich der Preis wieder erholt.
Mindestpreis zu niedrig?
Einen Mindestpreis von 2600 Dollar pro Tonne Kakao wollen Ghana und die Elfenbeinküste nun durchsetzen. Ein großer Sprung ist das nicht, vor der Ankündigung kostete eine Tonne 2200 Dollar. "In den letzten Jahren lag der Preis eher bei 2000 Dollar, manchmal aber auch bei 3000", so sagt Hütz-Adams von Südwind. "Inflationsbereinigt lag er in den meisten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts deutlich über 4000 Dollar."
Der geplante Mindestpreis ist also nicht besonders hoch. "Er wird nicht ausreichen, um die Armut nachhaltig zu reduzieren", so der Forscher. "Aber es ist der erste Versuch der Regierungen, mit einer Art Opec für Kakao zu experimentieren und eine Mindestabsicherung nach unten festzulegen."
Denn die Schwankungen am Kakaomarkt sind oft extrem. Es reicht, dass sich eine gute Ernte und ein leichtes Überangebot abzeichnen, um den Kakaopreis um ein Drittel oder noch mehr in den Keller zu schicken. Das liegt an den Strukturen des Marktes.
Nur sechs Prozent für die Bauern
Auf 100 Milliarden Dollar wird der weltweite Markt für Schokoladenerzeugnisse geschätzt, aber nur sechs Milliarden Dollar gehen an die Produzenten der Kakaobohnen. Den Millionen Kleinbauern, die von der Hand in den Mund leben, stehen dabei eine Handvoll Großunternehmen gegenüber, die die Kakaobohnen einkaufen, weiterverarbeiten und in den Handel bringen. Die komplette Wertschöpfung findet dabei außerhalb der Erzeugerländer statt. Schokoladenfirmen können Engpässe durch Reserven ausgleichen oder ihre Rezepturen verändern.
Die Bauern dagegen haben keinen Spielraum. Anders als beim Reis- oder Weizenanbau können sie sich mit ihrer Ernte nicht einmal selbst ernähren. Sie müssen verkaufen, sonst haben sie nichts.
Eigentlich könnte alles ganz einfach sein - wenn Schokolade nur geringfügig teurer würde, wäre das Armutsproblem gelöst. Sollte man zumindest meinen, wenn Friedel Hütz-Adams vorrechnet, dass vom Preis einer Tafel Vollmichschokolade derzeit nur rund vier Cent bei den Bauern ankommen. Vier Cent mehr würden also ihr Einkommen verdoppeln.
Wenn Kakao-Bauern in Ghana nur 50 Prozent mehr Geld erhielten, könnte die Kinderarbeit in dem Land komplett beendet werden, so das Ergebnis einer im Juni veröffentlichten Studie der US-Universität Arkansas. Selbst ein nur um drei Prozent höherer Verkaufspreis hätte schon Vorteile, weil dann zumindest für die gefährlichsten Arbeiten, etwa mit Macheten, Ersatz für Kinderarbeit bezahlt werden könnte.
Massiver Preisdruck
"In der Tat würden nur wenige Cent einen signifikanten Unterschied machen", sagt Hütz-Adams. "Gleichzeitig gibt es einen massiven Preisdruck, gerade hier in Deutschland. Und die einzelnen Unternehmen sagen: Wenn der Wettbewerb nicht mitzieht, können wir das alleine nicht durchsetzen am Markt."
Ein hart umkämpfter Markt, wo Supermärkte Cent-Veränderungen im Preis der Konkurrenz aufmerksam beobachten und gleichzeitig mit günstiger Schokolade versuchen, Kunden in ihre Läden zu locken, lässt keinen Platz für Geschenke.
Von der DW kontaktierte Schokoladenhersteller waren für eine Stellungnahme bisher nicht verfügbar. Hütz-Adams, der auch im Beirat der Handelskette Rewe sitzt, hat aber den Eindruck, dass viele Firmen nichts gegen einen staatlich festgeschriebenen Mindestpreis für Kakao haben, wenn er für alle gilt.
Gesetze statt Fairtrade?
Selbst Schokolade mit Fairtrade-Siegel bringt laut dem Südwind-Experten keine grundsätzliche Lösung. "Der Mindestpreis von Fairtrade lag bisher bei 2000 Dollar pro Tonne", so Hütz-Adams. Auch wenn jetzt eine Erhöhung geplant sei - "der Preis reicht nicht aus, um die Bauern flächendeckend aus der Armut zu holen".
Fairtrade-Siegel und andere Zertifikate, Selbstverpflichtungen der Industrie - all das hat in den vergangenen Jahrzehnten nichts daran geändert, dass Kakaobauern weltweit in Armut leben. Südwind-Experte Hütz-Adams ist deshalb überzeugt, dass es Zeit ist für gesetzlichen Druck. Firmen müssten per Gesetz verpflichtet werden, für die Einhaltung der Menschenrechte in ihren Wertschöpfungsketten zu sorgen.
So sehen es auch Leitsätze der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2011 vor, gleiches fordert die Industrieländer-Organisation OECD. "Die Bundesregierung hat es bisher leider nicht hinbekommen, daraus ein Gesetz zu machen", so Hütz-Adams. "Auch auf EU-Ebene haben wir noch keine gesetzliche Verpflichtung."
Mittlerweile hat die Bundesregierung zumindest einen Gesetzentwurf vorgelegt, der allerdings von Unternehmen kritisiert wird. Damit sollen die Ziele des "Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte" durchgesetzt werden, in dem bisher auf Freiwilligkeit gesetzt wurde.