Online-Universität für Geflüchtete
24. Juli 2015Auf sein Studium hatte sich Nidal Abbas schon lange gefreut. Nach dem Abitur wollte er in seiner Heimatstadt Homs Bauingenieurswesen studieren. Doch dann kam alles anders, der Krieg zog nach Homs. Nidal machte sich auf nach Deutschland, mit gerade mal 19 Jahren. Drei Monate dauerte seine Reise, mit dem Boot übers Mittelmeer und weiter nach Norden. Nun sitzt er in einem Flüchtlingsheim in Berlin-Steglitz und wartet darauf, dass sein Asylantrag bearbeitet wird.
Wer nach Deutschland flüchtet und hier studieren will, dessen Aufenthaltsstatus muss zunächst geklärt, sein Abitur anerkannt werden. Das kann dauern. "Es ist Zeitverschwendung", sagt Nidal. Er wartet nun seit einem halben Jahr, andere Geflüchtete schon seit Jahren. Dass es schneller und einfacher geht, davon ist Markus Kreßler überzeugt. Er gründete mit Freunden die Wings University, eine Online-Universität nur für Geflüchtete. "Bei uns gibt es keine Hürden", sagt Markus Kreßler. "Jeder Geflüchtete kann sich bei der Wings University registrieren – auch ohne Zeugnisse."
Start im September
Ab Herbst sind die ersten Vorlesungen online, im Frühjahr 2015 sollen dann die vollen Programme starten. Das Team der Wings University feilt an Studienverlaufsplänen mit Professoren der Freien Universität Berlin und der Akademie der Künste. Die ersten Vorlesungen stehen schon bereit, sie kommen von Dozenten von Elite-Unis - aus Harvard und Stanford. Die Professoren dort haben ihre Vorlesungen für die Wings University kostenlos zur Verfügung gestellt.
Ingenieurswissenschaften, Informatik, Wirtschaftswissenschaften und Architektur - das sind die vier Studiengänge, die man an der Wings University auf Bachelor und Master zunächst studieren kann. "Wir starten im September mit den ersten 400 Studenten", sagt Markus Kreßler "und wollen dann im nächsten Jahr 3000 aufnehmen." Doch es gibt noch große Baustellen, die bis dahin zu bewältigen sind. Derzeit ist Markus Kreßler mit Partneruniversitäten im Gespräch. Hier sollen die Prüfungen abgenommen werden. "Es ist für uns sehr wichtig, dass es da ein einheitliches System gibt", sagt er.
Noch fehlt Geld
Und dann wäre da noch die Frage der Finanzierung. "Langfristig bekommen wir für jeden anerkannten Studienplatz Geld", sagt Markus Kreßler. Doch anerkannt ist die Wings University noch nicht. Mit einer Crowdfunding-Kampagne versuchen sie nun, zumindest so viel zusammen zu sammeln, dass sie die bürokratischen Arbeiten nicht mehr ehrenamtlich erledigen müssen. Einen Teil der Spenden haben sie bereits zusammen.
Nidal Abbas kann den Start kaum erwarten. Für ihn bedeutet ein Studienabschluss vor allem auch die Sicherheit, einen Job zu finden und Geld zu verdienen. "Meine Familie hat ihre Ersparnisse gesammelt, um mich nach Deutschland zu schicken", sagt er. "Ich habe drei kleine Schwestern, sie möchte ich bald unterstützen."