Geldwäsche im Internet
27. Januar 2013Menschenhandel, Zwangsprostitution, Drogenhandel. Mit diesen Verbrechen verdient die Mafia jede Menge Geld. Einer aktuellen Studie der Vereinten Nationen zufolge erwirtschaftet die organisierte Kriminalität 2,1 Billionen Dollar im Jahr. Doch was ist all dieses Geld wert, wenn es nicht in den legalen Geldkreislauf eingeschleust werden kann? Für die Mafia ist Geldwäsche essenziell. "Geldwäsche ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Multiplikator für organisierte Kriminalität", erklärt der Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Ingo Fiedler im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Gäbe es keine Geldwäsche, gäbe es auch keine Mafia". Fiedler vermutet, dass auch Mafia-Bosse gerne die leichtesten und billigsten Möglichkeiten zur Geldwäsche nutzen. Und da liege das Internet-Glücksspiel weit vorne.
Internet-Glücksspiele in den Händen der Mafia
Dreckiges Geld setzen. Sauberes gewinnen. Mit solchen "Einzel-Geldwaschaktionen" gibt sich die organisierte Kriminalität kaum mehr zufrieden. Ingo Fiedler zufolge gibt es Hinweise darauf, dass kriminelle Vereinigungen mittlerweile ganz gezielt Online-Spielbörsen aufkaufen oder selber gründen. Der Sitz dieser Glücksspielfirmen liege meist in Steuer- und Rechtsoasen. Nimmt ein Online-Casino dann angeblich Millionenbeträge ein, können deutsche Behörden das kaum nachprüfen. "Ein Informationsaustausch zwischen den Ländern findet nicht statt", erklärt Fiedler. "Niemand kann nachprüfen, woher das Geld kommt. Aber an die Eigentümer des Unternehmens kann es ganz legal ausgezahlt werden."
Mittlerweile gibt es Anzeichen dafür, dass die italienische Mafia im Online-Glücksspiel gerade in Deutschland besonders aktiv ist. Im November 2012 wurde in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses auch der Oberstaatsanwalt und Mafia-Jäger Roberto Scarpinato zu diesem Thema befragt. Seinen Ermittlungen zufolge sind es "unglaubliche Geldströme", die zwischen Italien und Deutschland hin- und herfließen. 45 Mafiakronzeugen hätten im Verhör ausgesagt, dass Deutschland eines der von der Mafia ausgesuchten Länder zur Geldwäsche sei. Besonders intensiv genutzt würden dabei Spielhallen und Online-Spielbanken.
Deutschland sehe tatenlos zu
Der Schweizer Sachverständige Andreas Frank war beim Vortrag des italienischen Staatsanwalts in Berlin dabei. Mit Kopfschütteln erinnert er sich: "Trotz seiner eindrücklichen Schilderung war die Resonanz bei den Politikern für mich nicht existent", berichtet er. Und auch bis heute sei die Reaktion des Finanzministeriums, das die Federführung im Kampf gegen die Geldwäsche hat, "gleich Null". Es passiere einfach nichts. Der Bund lasse die Länder mit dem Problem allein.
In der Tat ist es so, dass seit 2007 die Bundesländer für die Regelung des Glücksspielwesens zuständig sind. Eine folgenreiche Entscheidung. Denn Schleswig-Holstein wagte den Alleingang: Im Januar 2012 erklärte das Bundesland Internet-Glücksspiele für Anbieter aus der EU kurzerhand für legal. Knapp ein Jahr später ruderten die Landespolitiker zurück und beendeten den Sonderweg. Doch die vergebenen Glücksspiellizenzen lassen sich nicht von dem einem auf den anderen Tag zurücknehmen. Und so verlieren und gewinnen deutsche Spieler heute sowohl auf "lizensierten" Glücksspiel-Angeboten, als auch bei Online-Spielbanken, die dem Grau- und Schwarzmarkt angehören.
Andreas Frank ist sich sicher: Ein wirksames Vorgehen gegen Geldwäsche und die Aktivitäten der Mafia ist in dieser Gemengelage kaum möglich. Und auch der jüngste politische Vorstoß, das "Gesetz zur Ergänzung des Geldwäschegesetzes" vom Dezember 2012, ist nach Ansicht Franks nicht ausreichend. Denn wie der illegale Markt der Glücksspielbranche eingedämmt werden könne - darüber verliere das Gesetz kein Wort.
Die Polizei ist machtlos
In der Theorie klingt es so, als könne man legale Anbieter von Online-Glücksspielen kontrollieren - und illegale strafrechtlich verfolgen. Doch so ist es nicht, sagt Sebastian Fiedler vom Bund deutscher Kriminalbeamter: "Wir haben keine Strafverfahren gegen illegales Internetglücksspiel. Eine Ahndung von illegalem Glücksspiel im Netz findet nicht statt". Unterstützung aus der Politik? Bei Fiedler komme sie nicht an. Speziell geschultes Personal sei Mangelware. Abgestellt für die Verfolgung von Geldwäsche im Internet werde kaum jemand. Und so blühe der illegale Glücksspielmarkt in Deutschland weiter. Die Polizei schaue zu. Zu fürchten hätten die Anbieter nichts.
Diese Schockstarre der Polizei sei politisch gewollt, sagt Wirtschaftswissenschaftler Ingo Fiedler. Allzu groß sei die Unsicherheit, ob die ohnehin unübersichtliche Gesetzeslage in Deutschland mit EU-Recht konform sei. Denn grundsätzlich erlaubt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur dann ein Glücksspielverbot, wenn dadurch begründete Allgemeininteressen wie die Bekämpfung der Spielsucht verfolgt werden. Doch 2012 war man von deutscher Seite aus mit der Lizenzvergabe für Online-Glücksspiele nicht zimperlich - auch wenn es sich bei diesem Vorgehen um einen Alleingang von Schleswig-Holstein handelte. Der Europäische Gerichtshof könnte daher an dieser Argumentation zweifeln. Am 24. Januar 2013 hat der Bundesgerichtshof eine offizielle Anfrage an den Europäischen Gerichtshof geschickt. Sollte das deutsche Recht der Prüfung nicht standhalten, dann könnte der deutsche Markt für alle Glücksspielanbieter geöffnet werden müssen.