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Russische Reaktionen auf Zypern

Roman Goncharenko18. März 2013

Die geplante Zwangsabgabe für Bankkunden im Rahmen des Rettungspakets für Zypern löste in Russland Empörung aus. Oligarchen, die Milliarden auf der Insel horten, werden wie alle Zyprer zur Kasse gebeten.

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Gefüllter Geldkoffer mit Euro-Banknoten (Foto: Imago imagebroker)
Bild: imago/imagebroker/begsteiger

Russlands Führung ist empört. "Unfair, unprofessionell und gefährlich" sei die geplante Zwangsabgabe für Bankkunden, sagte am Montag (18.03.2013) der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Ministerpräsident Dmitri Medwedew legte nach: Das Vorhaben sehe wie eine Enteignung aus. Auch an der Börse in Moskau war das Echo der Ereignisse auf der Mittelmeerinsel spürbar. Aktienkurse der zwei führenden russischen Banken, VTB und Sberbank, verloren bei Handelsbeginn rund fünf Prozent. Medienberichten zufolge sollen diese beiden Banken mehr als zehn Milliarden US-Dollar auf Konten in Zypern haben.

Das zyprische Parlament will am Dienstag (19.03.2013) über das umstrittene Maßnahmenpaket abstimmen, das das angeschlagene EU-Land vor dem Bankrott retten soll. Ende vergangener Woche stimmte die Eurogruppe dafür. Die geplanten Maßnahmen sehen neben rund 10 Milliarden Euro Finanzhilfe aus dem EU-Rettungsfonds eine einmalige Abgabe aller Kontobesitzer in Zypern vor. Um die genauen Summen wird derzeit noch verhandelt.

Russlands Banken - wie die Sberbank - sind auf Zypern stark engagiert (Foto: Mitya Aleshkovsky)
Russlands Banken - hier die Sberbank-Zentrale in Moskau - sind auf Zypern stark engagiertBild: picture-alliance/dpa

Sicherer Hafen für russische Milliarden 

Wer die Reaktionen in Russland verstehen will, braucht nur eine Zahl: 78,2 Milliarden US-Dollar. Genau so viel investierte nach Angaben der russischen Statistikbehörde Rosstat im Jahr 2011 Zypern in Russland. Das ist fast dreimal so viel wie Deutschland. Der kleine EU-Staat im Mittelmeer ist der mit Abstand führende Investor in Russland und deckt etwa die Hälfte aller ausländischen Investitionen ab. "Das ist selbstverständlich kein zyprisches Geld", sagt Heinrich Steinhauer. Es handele sich um "russisches Geld, das über Zypern reinvestiert wird", so der Leiter der Moskauer Repräsentanz der Landesbank Hessen-Thüringen (HELABA) im DW-Gespräch.

Zypern mit seinen niedrigen Steuersätzen sei "eine wichtige Station für russische Kapitalflüsse", sagt Hans-Henning Schröder von der Berliner "Stiftung Wissenschaft und Politik" (SWP) der DW. Dort bringe man sein Geld  "vor dem Zugriff des russischen Staates in Sicherheit", errklärt der Experte.

Schröder meint Menschen, die man in postsowjetischen Staaten "Oligarchen" nennt. Einer von ihnen heißt Alischer Usmanow. Das Wirtschaftsmagazin "Forbes" und die Agentur Bloomberg listeteten Usmanow 2012 als reichsten Mann Russlands. Sein Vermögen wird auf 17,5 bis 20 Milliarden US-Dollar geschätzt. Usmanow verdient sein Geld unter anderem in der Metallindustrie. Die Firma "USM Steel & Mining Group Ltd.", mit der Usmanow zum Eisenerzkönig im postsowjetischen Raum aufstieg, ist auf Zypern registriert.

Der russische Oligarch Alischer Usmanov (Foto: dpa)
Russischer Oligarch mit Zypern-Standbein: Alischer UsmanovBild: picture-alliance/dpa

Es sei vor allem die einfache rechtliche Infrastruktur, die Zypern für Russen attraktiv mache, sagt Steinhauer von der HELABA. "Man kann Firmen, Investmentgesellschaften, Holdings gründen, über die dann Investitionsvorhaben in Russland begleitet werden", unterstreicht der deutsche Banker in Moskau.

Auch Ukraine betroffen

Russland ist kein Einzelbeispiel. Auch in der benachbarten Ukraine lieben es Oligarchen, ihr Geld zuerst auf die Mittelmeerinsel zu überweisen, um es von dort wieder zu Hause zu investieren. Ähnlich wie in Russland ist Zypern seit Jahren der mit Abstand größte ausländische Investor in der Ukraine. 2011 waren es mehr als 10 Milliarden US-Dollar, so die ukrainische Statistikbehörde Derschkomstat. Es ist ein Fünftel der ausländischen Investitionen in der früheren Sowjetrepublik.

Umgekehrt ist das Bild noch eindeutiger. Mehr als 90 Prozent der gesamten ukrainischen Investitionen im Ausland im Jahr 2012 gingen in Richtung Zypern. Wenn sich Eigentümerverhältnisse in der Ukraine ändern, dann löst oft eine Firma mit Postanschrift auf Zypern die andere ab.

Zyprischer Finanzminister in Moskau

Es gibt noch einen Grund, warum Russland die Lage auf Zypern besonders aufmerksam verfolgt. 2011 vergab die Regierung in Moskau einen Kredit in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar mit viereinhalb Jahren Laufzeit an Zypern. Diesen Kredit will Zypern gerne verlängern. Darüber wollte nach russischen Medienangaben der zyprische Finanzminister Michaelis Sarris am Montag in Moskau sprechen. Doch der Besuch wurde auf Mittwoch (20.03.2013) vertagt.

Die Entscheidung über eine Kreditverlängerung wird nun vor dem Hintergrund der geplanten Zwangsabgabe für Bankkunden getroffen. "Wir werden die Lage genau beobachten", sagte der russische Finanzminister Anton Siluanow der Nachrichtenagentur Interfax am Montag.

Hans-Henning Schröder (Foto: SWP)
Schröder: Oligarchen können an andere Bankplätze ausweichenBild: Marc Darchinger

Neue Zielorte für russisches Kapital?

Der deutsche Banker Heinrich Steinhauer glaubt, dass Zypern auch nach dem umstrittenen Rettungspaket für Oligarchen aus Osteuropa attraktiv bleiben werde. "Es sei denn, man wird sukzessive dagegen vorgehen wollen", sagt der Leiter der HELABA-Repräsentanz in Moskau. "Momentan glaube ich nicht, dass das der Fall sein wird", sagt Steinhauer.

Der Berliner Russland-Experte Schröder ist skeptischer. "Wenn in Zukunft Zypern einer genaueren Finanzaufsicht unterliegt und nicht mehr der "sichere Hafen” ist, der er bisher war, dann kann es durchaus sein, dass russische und andere Anleger an andere Bankenplätze ausweichen", sagt Schröder von der SWP. In der Zukunft könnten russische Kapitalflüsse nicht mehr über Zypern, sondern über die Niederlande, Österreich oder andere Steuerparadiese wie die britischen Virgin Islands fließen, glaubt der Russland-Experte.