Fußball in Zentralasien auf dem Vormarsch?
14. Juli 2021Zum ersten Mal wird in der dritten Runde der WM-Qualifikation in Asien kein Vertreter aus Zentralasien dabei sein. Usbekistan, Tadschikistan, Kirgistan und Turkmenistan haben es nicht unter die letzten zwölf asiatischen Nationen geschafft und mussten damit ihre Hoffnungen auf eine Teilnahme an der WM 2022 in Katar begraben.
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den frühen 1990er Jahren haben diese vier Staaten versucht, sich in der Asian Football Confederation (AFC) zurechtzufinden. Kasachstan entschied sich 2002 der UEFA beizutreten - auf der Suche nach höheren Standards und vielleicht, um mehr Geld zu verdienen. Trotz ihrer gemeinsamen Geschichte im europäischen Fußball hat es keine dieser Nationen geschafft, sich zu behaupten.
Und doch sieht die Zukunft dieser Fußballregion nicht ganz so düster aus. Sogar im Gegenteil.
Tadschikistan bereit für Herausforderung
Tadschikistan zum Beispiel belegte in seiner WM-Qualifikations-Gruppe den zweiten Platz hinter Japan, dem bestplatzierten Team Asiens, und verpasste damit nur knapp ein Weiterkommen.
Die Fortschritte im Land sind aber nicht nur auf Nationalmannschafts-Ebene sichtbar. Im April sorgte der FC Istiklol, das wohl beste tadschikische Vereinsteam, für Aufsehen: Istiklol nahm zum ersten Mal an der AFC Champions League teil, dem wichtigsten Turnier des Kontinents. Das Team aus der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe setzte sich in seiner Gruppe vor dem dreimaligen Asienmeister Al-Hilal durch - und besiegte das reiche saudiarabische Kraftpaket mit 4:1.
Istiklols Cheftrainer Mubin Ergashev genoss den außergewöhnlichen Zuspruch für seine Mannschaft. "Es ist kaum zu beschreiben, was passiert ist. Aber das Land kam zusammen und die Menschen versammelten sich in Bars und Restaurants, um zuzuschauen, obwohl die Spiele um Mitternacht stattfanden", sagte er der DW.
Ergashev trainierte auch die tadschikische Nationalmannschaft. Mit Tadschikistan sammelte er mehr Punkte als Usbekistan und verpasste die dritte Runde nur aufgrund der schlechteren Tordifferenz. Dass sich seine Mannschaft so verbessert hat, kam nicht aus dem Nichts.
"In den letzten Jahren hat der Verband der Entwicklung des Sports in Tadschikistan große Aufmerksamkeit geschenkt und neue Stadien, Fußballschulen und Akademien eröffnet", erzählte Ergashev.
Tadschikistans U19-Mannschaft hat bei den letzten beiden Meisterschaften in Asien die Runde der letzten Acht erreicht. "Wir haben gelernt, junge Talente zu entwickeln und zu identifizieren. Der Verband ist auf dem richtigen Weg", sagte Ergashev. "Der Fußball in Tadschikistan und Zentralasien wird bald der Maßstab für Asien sein."
Mehr Konkurrenz für Usbekistan?
Usbekistan hat in diesem Teil der Welt traditionell den Standard gesetzt. Fußball wird in dem Land - mit immerhin 34 Millionen Menschen und damit mehr als die anderen drei Länder gemeinsam - nicht nur von der Bevölkerung unterstützt. Er profitiert auch von der größten Wirtschaft der Region. Von der am weitesten entwickelten nationalen Liga. Außerdem gehörte die Nationalmannschaft immer zu den stärksten der Region: Nach den Sowjet-Zeiten etwa gewann sie die Asienspiele im Jahr 1994. Allein: Das Nationalteam hat sich seither schwer getan, den letzten Schritt zur größten aller Bühnen zu schaffen.
Die usbekische Nationalmannschaft - "The White Wolves" - hatte die Playoffs für die WM 2006 erreicht. Und war 2014 und 2018 nahe dran, sich zu qualifizieren. Diesmal war es jedoch anders, da das Team die dritte Runde nicht erreichte.
"Es war eine riesige Enttäuschung und es wird bald Veränderungen mit einem neuen Trainer und Manager geben", sagte Alisher Nikimbaev, der von 2004 bis 2010 Chef der usbekischen Nationalmannschaft war. "Es hat viele Diskussionen gegeben. Obwohl es enttäuschend war, war es knapp, und es gab keine große Lücke zwischen den Mannschaften."
Laut Nikimbaev wird Usbekistan davon profitieren, dass sich Tadschikistan und ganz Zentralasien verbessern. "Wettbewerb ist gut, nicht nur auf dem Spielfeld", sagte er. "Der Zentralasiatische Fußballverband (CAFA) hat 2019 seinen Hauptsitz von der usbekischen Hauptstadt Taschkent nach Duschanbe verlegt. Dort gibt es mehr Turniere. Tadschikistan ist im Aufwind."
Welche Probleme bleiben?
Kirgisistan hat in der WM-Qualifikation ebenfalls einen Schritt nach vorne gemacht und lag in seiner Qualifikationsgruppe nur drei Punkte hinter Tadschikistan. Obwohl es nach wie vor Probleme mit Turkmenistan gibt, einem der politisch isoliertesten Länder der Welt, hatte die kirgisische Mannschaft Pech, nicht besser abgeschnitten zu haben. Das wurde durch den plötzlichen Rückzug Nordkoreas verhindert.
Da die Region als Teil der UdSSR unterdrückt wurde, ist es nicht verwunderlich, dass Mannschaften aus Zentralasien einige Zeit gebraucht haben, um ihren eigenen Weg auf der internationalen Bühne zu finden. "Der Fußball in Zentralasien basierte lange auf der alten Schule der Sowjetunion. Aber es gibt immer mehr Verbesserungen", berichtet Ergashev. "Die Länder führen neue Methoden ein, die an ihre eigene Mentalität angepasst sind, aber es muss noch mehr passieren."
Für Nikimbaev sind in Usbekistan mehr private Investitionen in Vereine und weniger Abhängigkeit von öffentlichen Geldern ein großes Thema. Das müsse angegangen werden. "Es wurde über die Privatisierung von Klubs in Usbekistan gesprochen, aber nichts ist wirklich passiert", sagte er. "Die Klubs in der Region generieren noch kein Geld, und das muss der nächste Schritt sein."
Größeres Starterfeld bei der WM 2026 von Vorteil
Mehr internationale Erfolge werden helfen, die heimischen Märkte zu vergrößern. Drei der vier Länder haben sich für den Asien-Cup 2019 qualifiziert. Dieser Cup findet alle vier Jahre mit 24 Teams statt. Es wäre ermutigend und zukunftsweisend, wenn alle die nächste Ausgabe im Jahr 2023 erreichen könnten. Die Zeichen dafür stehen gut. Der Asien-Cup wird dann in China ausgetragen.
Was auch Hoffnung macht, ist die kommende Weltmeisterschaft, denn das Turnier 2026 könnte ein echter Katalysator für mehr Wachstum sein. Aktuell hat Asien nur vier sichere WM-Plätze, die normalerweise von Japan, Südkorea, Australien und dem Iran belegt werden. Die Weltmeisterschaft 2026 wird jedoch von 32 auf 48 Mannschaften aufgestockt. Das bedeutet für Asien, dass statt vier voraussichtlich acht Nationalmannschaften gesetzt werden. Das macht das Turnier für viele Teams greifbarer, das Ziel realistischer.
"Kirgistan und Tadschikistan werden versuchen, sich zu qualifizieren. Und Usbekistan wird natürlich so stark wie möglich zurückkommen", sagte Ergashev. "Ein Platz bei der Weltmeisterschaft wäre riesig für den Fußball in der Region und würde ihn auf die nächste Stufe heben."