"Aghet"-Absage: Dresdner Sinfoniker äußern Kritik
26. Oktober 2016"Dass die Aufführung in Istanbul abgesagt wurde, hat mich nicht überrascht", sagte Intendant Markus Rindt im DW-Interview. Hinter "vorgehaltener Hand" habe das Auswärtige Amt den Dresdner Sinfonikern diese Entscheidung schon vor einiger Zeit mitgeteilt - aber man habe eben bis zum Ende gehofft. Auch ein Brief an Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, in dem Rindt diesen darum bat, die Aufführung von "Aghet" weiter zu unterstützen, half nicht.
Jetzt hat er einen offenen Brief an Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verfasst - gemeinsam mit dem deutsch-türkisch-armenischen Musiker Marc Sinan.
Darin heißt es, das Angebot des Auswärtigen Amts, die Aufführung zu verschieben, mache kaum Sinn, "denn wenn kein Wunder geschieht, steht außer Zweifel, dass sich die Lage in der Türkei innerhalb dieser Legislaturperiode verbessern wird", schreiben sie. Außerdem kritisieren sie, dass Deutschland die Massaker an den Armeniern vor mehr als hundert Jahren zugelassen hat. "Heute sehen wir dies einhellig als schweres Versäumnis an, als Mitschuld!", schreiben sie in dem offenen Brief.
Auch zu den aktuellen Entwicklungen in der Türkei schweige Deutschland. Deutschland dürfe nicht erneut versagen, so das Credo der Verfasser, die ebenfalls die aktuelle politische Lage in der Türkei im Blick haben. Dort setze sich die "leidvolle Geschichte der Minderheiten und Andersdenkenden" fort, so Rindt und Sinan, die in ihrer Argumentation auf die zehntausenden Entlassenen, Inhaftierten oder Gefolterten verweisen.
"Der Fehler aber liegt am Anfang des Schweigens"
Zwar zeigen sie Verständnis für die unsicheren diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei, die es nicht zusätzlich zu belasten gelte, doch mahnen sie an: "Der Fehler aber liegt am Anfang des Schweigens. Ihn nicht zu korrigieren sondern immer weiter fortzusetzen, wird in der Rückschau das größte Leid verursachen."
Neben ihrer Kritik am Auswärtigen Amt und dessen Leiter Frank-Walter Steinmeier machten Sinan und Rindt dem Außenminister aber auch einen "konstruktiven Gegenvorschlag". Sie wünschen, dass der Außenminister Schirmherr der deutsch-türkisch-armenischen Freundschaftsgesellschaft wird. Die Gründungsveranstaltung werde demnächst in Berlin stattfinden.
Auswärtiges Amt "verwundert" über Konzerteinladungen
Das Auswärtige Amt hat die umstrittene Absage der Aufführung "Aghet" über die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich in der Bundespressekonferenz am Mittwoch verteidigt. Sein Sprecher, Martin Schäfer, erklärte, in den vergangenen Tagen und Wochen sei die Erkenntnis gereift, dass der Moment für eine solche Aufführung an diesem Ort "einfach nicht der geeignete ist".
Außerdem sei es ein "ziemlich ungewöhnlicher Vorgang", Einladungen an ranghohe türkische Politiker, darunter auch Präsident Recep Tayyip Erdogan, ohne Rücksprache mit dem Generalkonsulat auszusprechen. "Das hat uns ein wenig verwundert." Intendant Markus Rindt hält dagegen, das Generalkonsulat habe davon gewusst, dass auch türkische Politiker - mit der Ausnahme Erdogans - zur Aufführung kommen sollten. Man sei bis zuletzt hingehalten worden.
Im November wollten die Dresdner Sinfoniker "Aghet" über die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich im Generalkonsulat in Istanbul aufführen. Bereits im Vorfeld äußerte die Türkei ihren Unmut über die Aufführung.