Indigene erringen juristischen Erfolg
16. August 2017Wie das Portal "O Globo" berichtete, hat Brasiliens Oberstes Gericht die Klage des Teilstaates Mato Grosso gegen die Einrichtung indigener Schutzgebiete durch die Zentralregierung zurückgewiesen. Dutzende Indigene feierten am Gericht das Urteil, das den Schutz ihrer Lebensräume stärkt. Dabei geht es um den 1961 geschaffenen Nationalpark Xingu und die Reservate Nambikwára und Parecis. Allein das Xingu-Gebiet ist mit 27.000 Quadratkilometern größer als das deutsche Bundesland Hessen.
Traditionelle Siedlungsgebiete
Der Bundessstaat Mato Grosso hatte angeführt, dass die Gebiete den Indigenen zu Unrecht übertragen worden seien und deshalb eine Entschädigung von umgerechnet 535 Millionen Euro gefordert. Die Richter stellten jedoch klar, dass es sich um traditionelle Siedlungsgebiete der Indigenen handele. Diese Gebiete unterstehen damit dem Bund und nicht dem Bundesstaat. Somit obliege es allein dem Bund und seiner Indigenenbehörde Funai, die Gebiete an die Indigenen zu übertragen. Anthropologen der Funai sind der Meinung, dass die Region vor rund 800 Jahren von den Indigenen besiedelt wurde.
Durch den Sojaanbau und die Rohstoffausbeutung werden immer mehr indigene Gemeinschaften ihrer natürlichen Lebensräume beraubt. Auch die Abholzung hat im Regenwald stark zugenommen. Zuletzt gab es wieder mehr Attacken gegen Indigene - sie beklagen eine zunehmende Schutzlosigkeit. Nach Angaben der Organisation Global Witness gilt Brasilien als gefährlichstes Land in Sachen Landkonflikte, 2016 seien dabei 49 Menschen gestorben. In den entfernten Gegenden ist der Staat oft nicht präsent und es kommt zu illegalen Landnahmen in eigentlich geschützten Zonen, in denen Ureinwohner leben.
Weitere Prozesse
Aufgrund der Abwesenheit mehrerer Richter wurden weitere angesetzte Prozesse vertagt. Darunter war die Entscheidung über ein in den 1990er Jahren eingerichtetes Schutzgebiet des Kaingang-Volkes im südbrasilianischen Teilstaat Rio Grande do Sul. Die Funai hatte eine Ausweisung dort lebender weißer Siedler gefordert. Diese hatten von der Regierung des Teilstaates Besitztitel auf das Land erhalten.
Experten hatten erwartet, dass in diesem Prozess die umstrittene juristische These der "Zeitmarke 1988" diskutiert würde. Demnach hätten Indigene nur einen Anspruch auf Gebiete, die sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassung am 5. Oktober 1988 tatsächlich besiedelten. Diese Interpretation würde die Ansprüche von Völkern zunichtemachen, die vor 1988 von ihren Gebieten vertrieben wurden. Zuletzt hatte Präsident Michel Temer unter dem Druck der Agrar-Lobby auf eine entsprechende Neuinterpretation der Verfassung zuungunsten der Indigenen hingearbeitet.
Temer in der Kritik
Vor dem Gerichtstermin gab es bereits seit Wochen in Brasilia und anderen Regionen des Landes Protestaktionen von Ureinwohnern gegen die Regierung von Temer. Sie werfen ihm vor, mit Dekreten und Finanzgeschenken zugunsten von Bergbauunternehmern und Großgrundbesitzern ihre Landrechte zu verletzen. Dadurch sei auch die Abholzung in Amazonasgebiet wieder stark gestiegen.
Nach Meinung des Indigenen Missionsrats der katholischen Kirche (Cimi) hat sich Temer mit solchen Gefälligkeiten die politische Rückendeckung der großen, parteiübergreifenden Agrarfraktion im Kongress erkauft. Im Juli stimmten deren Abgeordnete geschlossen gegen die Aufhebung von Temers Immunität, wodurch ein Korruptionsprozess gegen den Präsidenten vor dem Obersten Gericht verhindert wurde.
cgn/wa (dpa, epd, kna)