Obama empfiehlt friedliche Scheidung
8. Juli 2016Der Gipfeltag in Warschau begann mit einem Treffen zwischen dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama und Spitzenvertretern der Europäischen Union. Das wäre eigentlich Routine, aber der Mord an fünf Polizisten in Dallas überschattete den nur auf eine Stunde angesetzten USA-EU-Gipfel. Barack Obama, der zuvor mit dem Bürgermeister von Dallas telefoniert hatte, ging zusammen mit den Präsidenten des Europäisches Rates und der Europäischen Kommission vor die Kameras in Warschau. "Das ist ein hinterhältiger und verabscheuungswürdiger Akt. Es gibt nicht den leisesten Hauch einer Rechtfertigung", sagte der US-Präsident, während die US-Fernsehsender live übertrugen.
"Wir sind entsetzt und stehen an der Seite der Polizei und der Menschen in Dallas. Die Täter werden zur Verantwortung gezogen, und der Gerechtigkeit wird genüge getan", versprach Obama. Der Präsident räumte aber ein, dass man die Hintergründe und Motive der Tat noch nicht kenne.
Vermutlich vier Attentäter hatten bei einer Protestverstaltung gegen Polizeigewalt in Dallas fünf Polizisten gezielt erschossen und elf verletzt. Die Ereignisse seien im größeren Zusammenhang von Spannungen zwischen den Rassen in den USA zu sehen. Der realtiv einfache Zugang zu Feuerwaffen in den USA machten die Ereignisse noch tragischer, so Barack Obama. Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rates, und Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission, versicherten, sie trauerten mit dem US-Präsidenten und dem amerikansichen Volk um die Opfer des Attentats in Dallas.
Bei Brexit-Verhandlungen Umsicht nötig
Zu den ursprünglich geplanten Themen des Gipfeltreffens zwischen den USA und der EU gehörte natürlich der Brexit, der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. US-Präsident Barack Obama bedauerte diesen Schritt und forderte, die Verhandlungen müssten jetzt so geführt werden, dass kein Schaden entstehe. Großbritannien müsse jetzt ein neues Verhältnis zur EU finden. Die Europäische Integration dürfe nicht leiden. "Ein integriertes Europa ist eine der wichtigsten Errungenschaften unserer Zeit", sagte Obama. "Die USA haben ein großes Interesse an einem vereinten Europa." Das sei seit 70 Jahren so, und das werde auch nach dem Brexit so bleiben. Die Europäische Union bleibe ein unverzichtbarer Partner auf der Weltbühne bei zahlreichen Herausforderungen. Dann versprach er den "lieben Freunden" Donald und Jean-Claude, dass die Partnerschaft fortgesetzt werde. Auf die aktuellen Schwierigkeiten bei den Verhandlungen über das geplante Handelsabkommen TTIP ging der US-Präsident nur kurz ein. TTIP sei wichtig, um Investitionen zu erleichtern und Jobs zu schaffen.
EU-Kommissionspräsident Juncker griff den Ball auf und versprach zum wiederholten Mal, dass die TTIP-Verhandlungen bis zum Ende des Jahres, bis zum Ende der Amtszeit von Präsident Obama, abgeschlossen sein sollten. Viele Fachleute halten das für nahezu unmöglich. Die nächste TTIP-Runde findet kommende Woche in Brüssel statt. Großbritannien müsste nach dem Austritt aus der EU ein separates Freihandelsabkommen mit den USA aushandeln. Die EU habe aber Vorrang, hatte der US-Präsident bereits im April angekündigt. Jean-Claude Juncker machte noch einmal klar, dass es Verhandlungen mit Großbritannien nur geben könne, wenn die Regierung nach Artikel 50 des EU-Vertrages einen förmlichen Antrag auf Austritt stelle. Die Verhandlungen mit "den britischen Freunden" werde er "nicht feindlich gesinnt" führen. Die EU und das Vereinigte Königreich hätten natürlich gemeinsame Interessen und Werte. Wenn es aber Zugang zum EU-Binnenmarkt wolle, müsse es auch die Freizügigkeit für europäische Arbeitnehmer aktzeptieren.
Brexit soll Einzelfall bleiben
Donald Tusk, EU-Ratspräsident und früherer polnischer Premier, warnte eindringlich vor Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und undemokratischen Parolen auf beiden Seiten des Atlantiks und auch in seiner Heimat Polen. Die Verbindung zwischen den USA und der EU sei stark und enorm wichtig. "Wer immer die USA angreift, greift auch die EU an und umgekehrt", sagte Tusk. Er warnte vor den geopolitischen Folgen, die ein Brexit haben könnte. Auch darüber habe man mit dem amerikanischen Gast gesprochen. Deshalb wolle er von Warschau aus an die Welt ein starkes Signal senden, so Tusk. "Brexit ist ein einzelnes Ereignis und nicht der Anfang eines Prozesses. Ich sage laut und klar, es wird keine Fortsetzung dieser Geschichte geben."