Nutzt Saudi-Arabien Sport aus Imagegründen?
1. November 2018Die beiden besten Tennisspieler der Welt werden im kommenden Monat, so zumindest sieht es im Moment aus, gegen eine fürstliche Entlohnung in einem Land spielen, dessen Menschenrechtsbilanz von Amnesty International als "wirklich entsetzlich" bezeichnet wird.
Das reine Show-Match zwischen Rafael Nadal und Novak Djokovic, das für den 22. Dezember geplant ist, bringt keine Weltranglistenpunkte und hat sportlich gesehen kaum Bedeutung. Aus diesem Grund wird die Veranstaltung von den Meisten als Versuch Saudi-Arabiens gewertet, seinen schlechten Ruf auf internationaler Ebene zu verbessern.
Die Planung der Partie wurde ausgerechnet einen Tag nach dem Verschwinden des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi bekannt gegeben. Die Nachwirkungen seines Todes, sowie die fortgesetzten saudi-arabischen Bombenanschläge auf den Jemen und die traurige Menschenrechtsbilanz des Landes, haben zu weit verbreiteten Forderungen nach einem Verzicht der beiden Tennisstars auf das Duell geführt.
"Ich mag es nicht, mich an politischen Gesprächen oder Situationen zu beteiligen", sagte Djokovic. "Und es ist bedauerlich, dass wir beide jetzt in diese Sache hineingezogen werden." "Natürlich bin ich mir der ganzen Situation bewusst", sagte Nadal. "Aber ich bin vor einem Jahr die Verpflichtung eingegangen, dort zu spielen. Und mein Beraterteam spricht mit denen, um die Dinge zu analysieren. So ist es."
Was geschieht in Saudi-Arabien wirklich?
Eine Frage, die letztlich unbeantwortet bleibt, ist, ob die Veränderungen in Saudi-Arabien echt sind. Seit der Machtübernahme von Kronprinz Mohammed bin Salman im vergangenen Jahr, hat der Staat im Nahen Osten versucht, seinen Ruf mit einer Reihe von gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, die Schlagzeilen machten, zu verbessern. Unter dem Mantel ihres "Vision 2030" - Masterplans, behaupten die saudischen Machthaber, sie wollten das Land modernisieren und sähen die Förderung des Sports als Teil dieses Prozesses.
Adam Coogle, Nah-Ost-Experte von Human Rights Watch, sagt, dass es einige Liberalisierungsschritte gegeben habe, diese aber nicht ausreichten. "Das Image des Landes wird reingewaschen, obwohl es tatsächlich ein unglaublich repressiver Ort ist", sagte er der DW. "Ich denke, was Saudi-Arabien wirklich zu tun versucht, ist, das Modell der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) nachzuahmen. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind politisch unglaublich repressiv, sie haben Folter, sie haben Menschen verschwinden lassen, sie haben Oppositionsgegner aufgrund politischer Ideen für viele Jahre eingesperrt."
Dennoch habe es das Land geschafft, "sein Image aufzupolieren, nicht nur durch Sportereignisse wie Golfturniere, sondern auch durch den Kauf europäischer Fußballklubs". Ziel sei, ein bestimmtes Image des Landes nach außen zu projizieren, so Adam Coogle. Das von den Vereinigten Arabischen Emiraten angewendete Verfahren, das als "Sportswashing" bekannt ist, ist fest etabliert. Der englische Premier-League-Meister Manchester City ist das Juwel in der sportlichen Krone, die auch große internationale Tennis-, Cricket-, Golf-, Motorsport- und Rugby-Events beinhaltet.
Mit den Nachbarn mithalten
In dieser Hinsicht hinkt Saudi-Arabien seinen Nachbarn im Westen einige Jahre hinterher, obwohl das Land im vergangenen Monat Gastgeber eines prestigeträchtigen internationalen Freundschaftsspiels zwischen Argentinien und Brasilien war. Und die Saudis versuchen weiter aufzuholen: Während jetzt die Pay-per-View-Veranstaltung "Crown Jewel" von World Wrestling Entertainment stattfindet, wurde für das kommende Jahr ein Golfereignis der European Tour bestätigt.
Der Versuch, die größten Sportstars der Welt und die Funktionäre der jeweiligen Sportarten zu begeistern, war für Menschenrechtsforscher Nicholas McGeehan, der ein Beratungsunternehmen betreibt und sich seit langem auf die Golfregion konzentriert, keine Überraschung. Er sagt, "Sportswashing" sei "gute, billige PR" mit vielen Vorteilen für den Staat, wie beispielsweise Markenpositionierung, die Pflege internationaler Beziehungen, bessere Geschäftsverbindungen, Tourismus und eine Möglichkeit, das Geld aus den riesigen Ölreserven ausgeben zu können.
"Ich denke, sie haben sich Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate angeschaut, und sie werden die Vorteile davon gesehen haben [den internationalen Ruf durch Sport aufzupolieren], und es ist durchaus möglich, dass sie denken, 'das können wir auch '. Sie [die Saudis] stehen den Emiratis sehr nahe und es würde mich nicht überraschen, wenn ihnen der Rat gegeben wurde, dass Sport eine wirklich nützliche Sache ist", mutmaßt Nicholas McGeehan.
Während die jüngsten Berichte über das Interesse Saudi-Arabiens an Manchester United spekulativ erscheinen, hält der Menschenrechtsforscher den Kauf eines großen Fußballklubs für Saudi-Arabien für einen logischen Schritt. "In Katar gibt es einen Klub [Paris Saint-Germain]. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben einen Klub, also sollten die Saudis auch einen Klub haben", glaubt Nicholas McGeehan die Meinung von Kronprinz Mohammed bin Salman zu kennen.
Bewusstes Wegschauen
Im Großen und Ganzen war die Antwort der Sportwelt auf repressive Staaten, die den Sport als Fassade nutzen, um von der bitteren Realität abzulenken, immer die gleiche: Schulterzucken und das Geld nehmen!
"Die European Tour überwacht ständig die Situation in all unseren Gastländern und wir werden dies auch weiterhin tun", sagte ein Sprecher des Golf-Verbandes, als er auf eine Reihe von Fragen der DW zum Tod von Khashoggi antwortete. "Es ist sehr klar, dass sich die Politik aus dem Fußball heraushalten sollte", sagte FIFA-Präsident Gianni Infantino Anfang des Jahres, bevor er seine Pläne für eine erweiterte Klub-Weltmeisterschaft mit Saudi-Arabischen Investoren in einer japanischen Bank offenlegte.
Aufgrund der Ablehnung des europäischen Fußballverbands UEFA konnte FIFA-Boss Infantino seine Pläne zumindest nicht sofort umsetzen. Die Gegenwehr der UEFA basiert wahrscheinlich aber weniger auf moralischen Bedenken, als vielmehr auf der Tatsache, dass eine aufgeblasene Klub-WM die Durchführung der Champions League erheblich stören würde. Anders Roger Federer: Der Tennisstar aus der Schweiz hatte einst eine Einladung der Saudis zu einem Show-Match mit der Begründung nicht angenommen: "Ich wollte damals nicht dort spielen."
Stellung beziehen
Prominente Sportler und Funktionäre, die aus moralischen Gründen den Sport-Plänen der Saudis und ihren Nachbarn kritisch gegenüberstehen, halten sich in der Öffentlichkeit oft bemerkenswert zurück - obwohl deutliche Proteste oder gar Boykotte schon viel bewirkt haben. Der ehemalige Tennis-Superstar John McEnroe beispielsweise enthüllte einst, dass er 1980 eine Million Dollar von der Apartheidsregierung in Südafrika abgelehnt habe, weil er nicht zu Propagandazwecken missbraucht werden wollte.
Nadal und Djokovic, die derzeit an der Spitze des Welttennis stehen, scheinen sich nicht so zu fühlen und sie sind damit nicht allein. Da Pläne für ein Formel-E-Rennen und die italienische Supercoppa 2019 bereits auf dem Tisch liegen und FIFA-Chef Infantino seine Idee von Saudi-Arabien als Austragungsort von Weltmeisterschaftsspielen nachdrücklich versucht zu verwirklichen, müssen sich die Athleten und Sportfunktionäre letztlich entscheiden: Sehen sie das Engagement von Saudi-Arabien als ehrlichen Versuch sich dem Sport zu öffnen, oder als weiteren Schachzug, um von den verheerenden Zuständen in dem Land abzulenken?