Zwischen Schneckentempo und Stillstand
25. Oktober 2017Die mit Spannung erwarteten Plädoyers der Nebenkläger im NSU-Prozess vor dem Münchener Oberlandesgericht (Archivbild oben) konnten auch am 385. Verhandlungstag nicht beginnen. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl unterbrach das Strafverfahren am Mittwoch nach zwei kurzen Beratungspausen und setzte den Donnerstag gleich ganz ab. Der Grund: ein weiterer Befangenheitsantrag des Angeklagten André E. gegen zwei Richter. Erst am Dienstag waren mehrere ähnlich gelagerte Anträge sowohl von E. als auch von anderen Angeklagten als "unbegründet" abgelehnt worden.
Durch die andauernden Verzögerungensteht schon jetzt fest, dass die Urteile gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer erst 2018 gefällt werden können. Nebenkläger-Anwalt Sebastian Scharmer rechnet frühestens im Februar damit. Mit der Verhandlungsführung des Strafsenats ist er, wie viele seiner Kollegen, höchst unzufrieden. Das Gericht lasse sich seit über sechs Wochen mit knapp 20 Befangenheitsgesuchen "vor sich hertreiben".
Scharmer, der die Tochter des NSU-Opfers Mehmet Kubasik vertritt, hält ein höheres Tempo im NSU-Prozess für möglich. Seines Erachtens wäre es dem Strafsenat möglich, härter durchzugreifen. Den am Mittwoch gestellten Antrag hätte man "innerhalb weniger Stunden" entscheiden können. Allerdings machte E.s Verteidiger Herbert Hedrich in Vertretung seines kurzfristig erkrankten Kollegen Michael Kaiser erhöhten Beratungsbedarf geltend. Der Vorsitzende Richter Götzl ließ sich schließlich darauf ein und vertagte den NSU-Prozess auf den 9. November.
Nebenkläger-Anwalt Scharmer sauer
Diese lange Unterbrechung hat indes nichts mit irgendwelchen Anträgen zu tun. Wegen der Herbstferien in Bayern waren ohnehin zwei Wochen ohne Verhandlungstermine vorgesehen. Nebenkläger-Anwalt Scharmer ist unter dem Eindruck des Schneckentempos im NSU-Prozess trotzdem sauer. Wenn das Gericht weiter so zögerlich agiere und keine Grenzen setze, "dann werden wir hier noch 2020 sitzen".