Novemberpogrome 1938: Nachts brannten die Synagogen nieder
Vor 85 Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, setzten Schlägertrupps der Nationalsozialisten jüdische Geschäfte und Synagogen in Brand. Mit den Novemberpogromen begann der größte Völkermord Europas.
Nächtliche Gewaltorgien
Antisemitische Gruppen, angeführt von der paramilitärischen SA, wüteten in ganz Nazi-Deutschland. Sie zerstörten Synagogen wie diese in Chemnitz und andere jüdische Gebäude oder Geschäfte. Juden wurden öffentlich erniedrigt und festgenommen, mindestens 91 von ihnen wurden bei der nächtlichen Gewaltorgie getötet.
Zerbrochenes Glas
Angesichts der vielen zerbrochenen Fenster und Kristallleuchter von Synagogen und Geschäfte sprach man früher von der "Reichskristallnacht". Gegen Ende der 1980er-Jahre wurde dieser Ausdruck zunehmend problematisiert. Heute bezeichnet man die Übergriffe als Pogromnacht oder als November-Pogrome.
Attentat als Vorwand
Die Nazis begründeten ihre antijüdischen Pogrome mit dem tödlichen Attentat auf einen deutschen Diplomaten in Paris am 7. November. Täter war der 17-jährige polnische Jude Herschel Grynszpan. Dieser hatte wenige Tage zuvor von der gewaltsamen Vertreibung seiner Familie erfahren. Es ist nicht bekannt, ob Grynszpan das Dritte Reich überlebte oder in einem Konzentrationslager ums Leben kam.
Erlaubnis von Hitler
Nach dem Attentat in Paris erteilte Hitler Propagandaminister Goebbels die mündliche Erlaubnis, mit den Gewaltmaßnahmen gegen Juden zu beginnen. Bei dem von Goebbels initiierten Pogrom waren nur solche Maßnahmen zugelassen, "die keine Gefährdung deutschen Lebens oder Eigentums mit sich bringen". Juden wurden von den Nazis - fälschlicherweise - als "nicht-deutsch" diffamiert.
Beteiligung an Gewalt
Die Nationalsozialistische Partei bestritt jede Beteiligung an dem Pogrom, aber Hinweise in Dokumenten, in denen von "Operationen" und "Maßnahmen" die Rede ist, bewiesen die Verwicklung von Partei und Staatsapparat. Die meisten nichtjüdischen Deutschen wahrten Distanz zum Pogrom. Es gab aber auch Bürger, die die Ausschreitungen begrüßten oder sich sogar an Gewalt und Plünderungen beteiligten.
Rassismus und Geld
Ihrer rassistischen Ideologie entsprechend wollten die Nazis die Juden einschüchtern, damit sie Deutschland freiwillig verlassen. Zu diesem Zweck wurden Juden oft auf demütigende Weise durch die Straßen geführt. Die Nazis handelten dabei auch aus wirtschaftlichem Interesse. Juden, die aus dem Dritten Reich flohen, wurden mit hohen "Auswanderungsabgaben" belastet, ihr Eigentum wurde konfisziert.
Scheu vor Presseecho
Spätestens nach der Pogromnacht war der Weltöffentlichkeit die judenfeindliche Einstellung der Nationalsozialisten bekannt. Aber das Dritte Reich unter Hitler scheute das schlechte internationale Presseecho. Daher beschloss die NSDAP zunächst antijüdische Maßnahmen, die nicht offen gewaltsam waren. Unter anderem wurden die Juden gezwungen, einen gelben Davidsstern auf ihrer Kleidung zu tragen.
Zynische Forderung
Die Nazi-Führung startete eine ganze Reihe weiterer antijüdischer Maßnahmen. Voller Zynismus forderte sie von ihnen eine Abgabe zur Begleichung der Schäden, die während der Nacht vom 9. auf den 10. November 1939 entstanden waren. Der zweitmächtigste Mann im Dritten Reich, Hermann Göring, sagte den berühmt-berüchtigten Satz: "Ich möchte nicht in Deutschland Jude sein."
"Vorspiel zum Völkermord"
Im Jahr 1938 lag der Beginn des Holocaust noch zwei Jahre entfernt. Aber von der Pogromnacht bis zum Massenmord an den Juden in Europa gab es eine kontinuierliche Entwicklung, in der die NS-Führung ihre antisemitischen Maßnahmen schrittweise verstärkte. In den Worten eines zeitgenössischen Historikers war das Pogrom ein "Vorspiel zum Völkermord".