Nordrheinwestfalens Minderheitsregierung gescheitert
14. März 2012Das rot-grüne Experiment, mit einer Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen (NRW) zu regieren, ist nach etwas mehr als eineinhalb Jahren gescheitert. Da alle drei Oppositionsparteien den Haushaltsentwurf für 2012 von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ablehnten, zog die Regierungschefin die Reißleine und leitete Neuwahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland ein. Voraussichtlich am 6. oder 13. Mai 2012 werden die Wahlberechtigten zur Stimmabgabe aufgefordert.
Der Düsseldorfer Parteienforscher Ulrich von Alemann sieht bei Hannelore Kraft einerseits politisches Kalkül, weil aktuelle Umfragen das rot-grüne Lager deutlich vor anderen politischen Konstellationen sehen. Andererseits aber sei die Herbeiführung von Neuwahlen auch die Konsequenz aus dem Abstimmungsverhalten der Oppositionsparteien, sagte von Alemann im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Röttgen wird CDU-Spitzenkandidat
Auch die CDU, die größte Oppositionspartei in Düsseldorf, hat sich für Neuwahlen ausgesprochen. Sie hofft darauf, stärkste politische Kraft in Nordrhein-Westfalen zu werden und mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der gleichzeitig auch Landesvorsitzender der nordrhein-westfälischen Christdemokraten ist, den nächsten Ministerpräsidenten stellen zu können. In Umfragen liegen die beiden großen Parteien derzeit - wie bei der letzten Landtagswahl am 9. Mai 2010 - gleichauf bei etwa 35 Prozent. Ulrich von Alemann glaubt aber nicht, dass es dabei bleiben wird: "Ich erwarte noch ein deutliches Plus für die SPD, weil Kraft versuchen wird, ihren vorhandenen Bonus als Ministerpräsidentin im Wahlkampf auszuspielen."
Während Hannelore Kraft also auf einen Amtsinhaberinnen-Bonus hoffen kann, ist das Risiko für ihren Gegenkandidaten Norbert Röttgen wesentlich höher. Um seine Glaubwürdigkeit zu erhöhen, müsste er gegenüber den Wählern und seinen Parteifreunden versichern, auch im Fall einer Niederlage von Berlin nach Düsseldorf zu wechseln, um dort als Oppositionsführer tätig zu werden. Damit würde er "seine große Rolle als einer der wichtigen Minister im Kabinett von Angela Merkel tauschen gegen die eines Oppositionsführers in einem Provinzlandtag," so von Alemann. Die frühzeitige Festlegung auf die Spitzenkandidatur sei eines der beiden "Rätsel des Tages".
FDP auf Risikokurs
Das andere Rätsel ist die Entscheidung der oppositionellen FDP, den Haushalt abzulehnen, denn den Liberalen werden kaum Chancen eingeräumt, den Wiedereinzug in den NRW-Landtag zu schaffen. Trotzdem haben sie gegen den Haushalt gestimmt und in einer anschließenden Fraktionssitzung beschlossen, dem Auflösungsantrag von CDU und SPD zuzustimmen. Für von Alemann ist das Verhalten der FDP "Angstselbstmord" und "nicht erklärlich". Sie hätten, so der Düsseldorfer Politologe, einige Abgeordnete "nach Hause schicken oder sich der Stimme enthalten können".
Nun aber laufen die Liberalen Gefahr, bei der Neuwahl zum Düsseldorfer Landtag an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Konkret heißt das: Sollte die FDP weniger als fünf Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen, ist sie im nächsten Landtag nicht mehr vertreten. Offenbar hoffen die Liberalen aber darauf, durch einen engagierten Wahlkampf das Umfragetief von mageren zwei Prozent verlassen zu können. In einer ersten Reaktion gab sich der FDP-Landesvorsitzende und Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr optimistisch: "Überzeugung ist wichtiger als Mandatssicherung.“ Und er fügte hinzu, den „Mutigen gehört die Zukunft".
Projekt "Minderheitsregierung" nicht gescheitert
Über das Ende der rot-grünen Minderheitsregierung war seit einigen Tagen schon spekuliert worden, zumal Hannelore Kraft die Ablehnung des Haushalts zur Nagelprobe erklärt hatte. Dabei lief es bis zur Haushaltsdebatte gut für das rot-grüne Projekt in Düsseldorf. Mit wechselnden Mehrheiten gelangen nachhaltige Schulreformen oder die Stärkung der kommunalen Finanzen - mal stimmte die CDU mit, mal holte die Ministerpräsidentin die FDP ins Boot. Auch das - so Ulrich von Alemann - könnte dazu führen, dass Hannelore Kraft "erhobenen Hauptes“ in den Wahlkampf zieht.