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Nordirland: Regieren nur im Konsens

Sebastian Ertinger / Insa Wrede26. November 2003

In Nordirland wird am Mittwoch (26.11.) ein neues Parlament gewählt. Die Wahl gilt als Wegweiser für den Fortgang des nordirischen Friedensprozesses.

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Trügerischer Frieden in NordirlandBild: AP

Bereits zwei Mal waren die Abstimmungen zum nordirischen Parlament, dem Stormont, verschoben worden. Nachdem vor einem Jahr die Allparteienregierung, in der gleichberechtigt Protestanten und Katholiken saßen, zerbrochen war, wird die Provinz im Norden der "Grünen Insel" wieder von der Londoner Zentralregierung regiert. Zahlreiche Verhandlungen zwischen den verfeindeten Protestanten und Katholiken sollten die Rückkehr zur gemeinsamen Selbstverwaltung einfädeln.

Erfolgereiche Teilentwaffnung?

Der Durchbruch für eine Lösung der schier endlosen Streitereien schien am 21. Oktober 2003 sehr nahe. Der Leiter der internationalen Entwaffnungskommission für Nordirland, General John de Chastelain, gab bekannt, dass die katholische Irisch-Republikanische Armee (IRA) eine erhebliche Anzahl von Waffen abgegeben habe. Damit wurde eine wesentliche Forderung der protestantischen Seite erfüllt. Der britische Premierminister Tony Blair kündigte im Gegenzug Wahlen zum nordirischen Regionalparlament für Ende November an.

Doch die Ernüchterung folgte auf dem Fuß. Der Führer der protestantischen Ulster Unionist Party (UUP), David Trimble, forderte handfeste Beweise für die Entwaffnung. Die internationale Kontrollkommission darf jedoch ohne Zustimmung der IRA keine Einzelheiten veröffentlichen. Eine erfolgreiche Rückkehr der Unruheregion zur Selbstverwaltung erscheint damit zunächst unwahrscheinlich, auch wenn Blair den Wahltermin 26. November durchgesetzt hat.

Konfessionell ausgeglichene Entscheidungen

Grundlage für die Selbstverwaltung ist das Karfreitagsabkommen von 1998, in dem sich die Konfliktparteien auf einen Regelkatalog für die Ausgestaltung der Teilautonomie einigten. Auch die Arbeitsweise der Regionalversammlung wird darin festgelegt. Das Karfreitagsabkommen sieht eine gemischt-konfessionelle Allparteienregierung vor, die wie eine fein justierte Waage schon auf kleinste Belastungen reagiert.

"Der Stormont ist kein gewöhnliches Parlament", meint Roland Sturm, Professor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Erlangen-Nürnberg. Bei Abstimmungen genüge nicht eine einfache Mehrheit der Abgeordneten zur Entscheidung, sondern auch beide konfessionelle Gruppen müssten jeweils mehrheitlich ihre Zustimmung signalisieren. "Das sind ausgefeilte Verfahren, damit ja keine Seite irgendwie übergangen werden kann", erläutert der Großbritannien-Experte. Sämtliche Entscheidungen werden im Konsens getroffen. Kann keine Einigung erzielt werden, droht der Stillstand.

Extremisten drohen zu gewinnen

Viel Hoffnung, dass aus den kommenden Wahlen ein handlungsfähiges Parlament und eine starke Regierung hervorgehen, besteht nicht. "Bewahrheiten sich die Meinungsumfragen, gewinnen die extremen Parteien hinzu und die moderaten Gruppen bröckeln weg", sagt Sturm. Besonders die radikale, anti-katholische Democratic Unionist Party (DUP) unter ihrem Führer Ian Paisley könnte einige Gewinne verbuchen. Sie bezeichnet sich als die einzige Partei, die "felsenfest" an der Union mit Großbritannien festhält und jegliche Kooperation mit den Katholiken ablehnt. Dem gegenüber steht die Sinn Fein, der politische Arm der IRA, die jüngst jedoch häufiger zu Zugeständnissen bereit war.

Die gemäßigten Gruppen, die katholische Social Democratic Labour Party (SDLP) sowie die UUP des ehemaligen nordirischen Regierungschefs David Trimble, könnten ihre Position als die jeweils größten Parteien ihrer Konfessionsgruppe verlieren.

Friedensprozess in Gefahr

Das Karfreitagsabkommen macht die Angelegenheit nicht leichter, da nach dem Prinzip des "beiderseitigen Einverständnisses" gewählt werden muss. Beide Chefs der Exekutive müssen demnach nicht nur die Mehrheit des Parlaments gewinnen, sondern auch jeweils mindestens 50 Prozent der Stimmen aus dem gegnerischen Lager auf sich vereinen. Das schlimmste Szenario wäre, dass das gerade erst gewählte Regionalparlament sogleich wieder aufgelöst würde.

Die Wahl könne das so genannte Karfreitagsabkommen von 1998 gefährden und den Friedensprozess "aus der Bahn" werfen, warnte der Chef der UUP und ehemalige Ministerpräsident David Trimble.