Noch mehr Asylbewerber als erwartet
7. Mai 2015Die Bundesregierung rechnet für dieses Jahr mit deutlich mehr Flüchtlingen in Deutschland als bislang erwartet: Die Zahl der Asylanträge könne sich im Jahresverlauf auf 450.000 summieren, heißt es in einer Prognose, die das Bundesinnenministerium den Ländern übersandte. Bislang war die Bundesregierung offiziell von 300.000 Flüchtlingen für 2015 ausgegangen. "Wir werden dauerhaft eine hohe Zahl von Flüchtlingen haben", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière zu den neuen Schätzzahlen.
Balkanstaaten und Syrien
Das Innenministerium machte vor allem zwei Ursachen für die Entwicklung verantwortlich: Zum einen gebe es einen ungebrochen hohen Zuzug aus den Balkanstaaten - im April seien von dort mehr als die Hälfte aller Asylanträge in Deutschland gekommen. Zum anderen wagten nach wie vor viele Flüchtlinge die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer. Der Krieg in Syrien, aber auch andere Konflikte verursachten hohe Zahlen an Flüchtlingen.
Zudem gebe es "Anreizfaktoren" wie etwa die "vergleichsweise hohen Sozialleistungen". Auch die "weiterhin geringe Rückführung" abgelehnter Antragssteller aus Deutschland trage zu dem Anstieg bei. Die vielen Flüchtlinge seien "eine Herausforderung für Bund, Länder und Gemeinden gleichzeitig", erklärte de Maizière. Er werde auf dem Flüchtlingsgipfel am Freitag im Kanzleramt "konkrete Vorschläge unterbreiten".
Sonderregelungen für Bewerber vom Balkan?
Wie "Focus online" berichtete, will der CDU-Politiker Asylbewerber vom Balkan aus dem bisherigen Verteil-Verfahren herausnehmen. Sie sollen nur noch in ausgewählten Aufnahme-Einrichtungen untergebracht werden, in denen es eine Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gibt und möglichst ein Verwaltungsgericht in unmittelbarer Nähe ist. Zudem soll die Bundespolizei künftig bei abgelehnten Asylbewerbern vom Balkan die Abschiebung übernehmen. "Focus" beruft sich auf "Personen, die mit dem Plänen de Maizieres vertraut sind". Im ersten Quartal 2015 kam rund die Hälfte der Asylbewerber in Deutschland vom Westbalkan. Deren Anerkennungsquote erreicht jedoch nicht einmal ein Prozent.
Die Bundesregierung dämpfte zugleich die Erwartungen an den Flüchtlingsgipfel. Ein Sprecher der Bundesregierung sagte, das Treffen sei als "informelles Gespräch der Bundeskanzlerin mit Vertretern der Länder zur Beratung weiterer Maßnahmen im Bereich der Asyl- und Flüchtlingspolitik" geplant. Eine eventuelle Beschlussfassung zur Asyl- und Flüchtlingspolitik bleibe der regulären Konferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Regierungschefs der Länder am 18. Juni vorbehalten, wo alle Länder vertreten sind.
Kommunen nicht zum Gipfel eingeladen
Um die Beratungen am Freitag zu vereinfachen, sei ein Kreis von acht teilnehmenden Ländern vorgesehen, so der Sprecher. Von Regierungsseite sollen demnach neben Merkel, Vizekanzler Sigmar Gabriel, Kanzleramtsminister Peter Altmaier, Innenminister de Maiziere, die Flüchtlingsbeauftragte Aydan Özogus, der BAMF-Präsident Manfred Schmidt sowie der Präsident des Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, teilnehmen.
Nicht zu dem Treffen eingeladen sind indes die Städte und Gemeinden, die für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zuständig sind und daher über hohe Belastungen klagen. Die Oppositionsparteien übten daran scharfe Kritik. Grüne und Linke verlangen eine dauerhafte finanzielle Entlastung der Länder und Kommunen durch den Bund. Wie das größere Engagement des Bundes aussehen könnte, ist noch offen.
sti/kle (afp, epd, kna, rtr)