Nobelpreisträger fordern Maßnahmen gegen den Klimawandel
3. Juli 2015Ein Zyniker würde es vielleicht einen Werbegag der Lindauer Nobelpreisträgertagung nennen: Der groß angekündigte Showdown des 65. Nobelpreisträgertreffen in Lindau.
Denn an diesem Freitag (03.07.2015) ist es 60 Jahre her, dass die Mainau-Erklärung verabschiedet wurde. 1955 wurde sie von den Atomwissenschaftlern Otto Hahn und Max Born verfasst - ein Aufruf gegen den Einsatz von Atomwaffen.
Die neue Mainauer Deklaration wurde vom Großteil der in diesem Jahr an der Tagung teilnehmenden Nobelpreisträger unterzeichnet. Ihr gemeinsamer Appell: Endlich Maßnahmen gegen den Klimawandel umzusetzen.
Brian Schmidt, einer der Initiatoren der Deklaration, erklärt das Ziel etwas nüchterner: "Wir wollen damit den wissenschaftlichen Prozess hinter der Klimaforschung unterstützen. Wir glauben, dass die Beweise ausreichen. Wir müssen uns deshalb ernsthaft Gedanken machen und Konsequenzen daraus ziehen", so der Astrophysiker Schmidt, der im nächsten Jahr Rektor der Australian National University wird.
Schmidts Mitinitiator, David Gross, sagt dazu, dass "es ein entscheidendes Jahr" für den Klimawandel sei. Ihre Erklärung ist ein Aufruf im Vorfeld der UN-Klimakonferenz, COP21, im Dezember in Paris.
"Seit dem Klimagipfel in Rio und Kopenhagen gab es weltweit Sitzungen, Vereinbarungen und Erklärungen ohne wirklichen Biss", so Gross. "Deshalb fällt es schwer, optimistisch zu sein."
Skeptiker und Leugner
Diese "große Mehrheit" der Unterzeichner der Mainauer Deklaration 2015 schließt aber mindestens einen Laureaten aus, der schon früher in der Woche bei dem Treffen seine ganz eigenen Tagungs-Schlagzeilen als Klimaskeptiker gemacht hat.
Mit seinem Vortrag "Global Warming Revisited" ("Globale Erwärmung neu überdacht") sorgte Ivar Giaver für Diskussionsstoff unter den jungen Wissenschaftlern - darunter auch Noel Baker, vom NASA Langley Research Center.
"Er sagte, die NASA verfälsche ihre Daten. Als NASA-Klimaforscher wollte ich da für klare Verhältnisse sorgen. Deshalb bin ich zu ihm gegangen, um ihm zu sagen, dass wir eine Menge sehr guter Daten haben, die er sich bitte einmal genauer ansehen sollte. Giaver war ein bisschen stur und sagte, er habe alle seine Informationen nur durch Googeln. Nach der globalen Erwärmung als Falschmeldungen zu googeln reiche ihm aus, um sich eine Meinung zu bilden", sagt Baker. Dieser Vorfall ist auch den anderen Nobelpreisträgern nicht entgangen. Schmidt und Gross reagierten enttäuscht.
"Ich möchte jedem die Möglichkeit geben, ja oder nein zu sagen", sagte Schmidt der DW. "Deshalb haben wir es nicht direkt im Anschluss mit ihm besprochen. Ich möchte ihm die Zeit geben, zu zweifeln und sicherstellen, dass er auch weiß, was wir tun. Das müsste er dann auch respektieren."
Das Mainau Happening
Am Donnerstag (02.07.2015) sprach Initiator Schmidt bereits bei einer streng geheimen Vorab-Pressekonferenz über die Deklaration. Alle Kommentare dazu waren unter Verschluss. Journalisten, die es hätten ausplaudern können, waren allerdings auch nur wenige da - und gerade das hat vielleicht für den etwas säuerlichen Ton von einigen Initiatoren gesorgt.
Im DW-Interview beklagte sich David Gross, dass die Medien nicht daran interessiert gewesen wären, detaillierte Fragen über den Inhalt der Erklärung zu stellen - was sich in der Tat aber auch schwierig gestaltete, da der Inhalt den Journalisten vorab gar nicht gezeigt wurde. Und dennoch - so die Nobelpreisträger und Initiatoren der Deklaration - seien die Medien dafür verantwortlich, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Aber wie realistisch ist das? Sagen wir, in einem Land wie Australien, wo die Bergbauunternehmerin Gina Rinehart in der Vergangenheit einen großen finanziellen Anteil auch an Medienunternehmen erworben hat?
"Im Hinblick auf den Klimawandel finde ich es sehr beunruhigend", sagt der australische Nobelpreisträger Peter Doherty der DW. "Ich denke, Greg Hunt [australischer Umweltminister] tut, was er kann, und ich glaube, er ist ein anständiger Kerl. Ich glaube, das Problem ist, dass es in dieser Partei [der regierenden Liberalen Nationalpartei Australiens] starke Vertretungen von Interessen gibt, die mit einbezogen werden. Dazu gehört auch die Ölindustrie", so Doherty.
Brian Schmidt sagte der DW im Interview, dass der australische Premierminister Tony Abbot zwar auf seine Meinung höre, aber dass das Zuhören leider nicht zum Handeln führe.
Und so bleibt die Frage: Wer wird bei der Mainau-Erklärung der Nobelpreisträger hinhören - und sie auch beherzigen? Und wie stehen die Chancen, dass sie irgendwelche Auswirkungen hat?
"Sehr gering", sagt Mitinitiator Gross, "aber immerhin besser Null."
Und reicht das aus?
"Nein. Aber alles ist besser als nichts."