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Radikaler Denker mit eigenem Kopf

Jannis Papadimitriou10. Februar 2015

Der neue griechische Außenminister Nikos Kotzias ist ein Politiker mit vielen Gesichtern. Er gilt als brillanter Stratege, der seine eigenen Ansichten über Außenpolitik pflegt. Außerdem ist er ein Kenner Deutschlands.

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Griechenland neuer Außenminister Nikos Kotzias 27.01.2015
Bild: AFP/Getty Images/L. Gouliamaki

Nikos Kotzias steht für ein bedeutendes, aber bislang wenig bekanntes Kapitel deutsch-griechischer Freundschaft: Während der griechischen Militärdiktatur (1967-1974) fand der Linksaktivist, wie viele andere Griechen auch, Zuflucht in Deutschland und konnte dadurch einem Haftbefehl des Athener Militärtribunals entkommen. Kotzias studierte in Gießen, kämpfte im deutschen Exil gegen die Militärjunta in seiner Heimat und war auch aktiv beim griechischen Studentenverband in West-Berlin. Anschließend dozierte Kotzias an der Universität Marburg, seit 2007 lehrt er an der Universität Piräus. Nach Angaben der Athener Zeitung "Ta Nea" hätten Kotzias und sein deutscher Amtskollege Frank-Walter Steinmeier zu Studienzeiten in der gleichen Straße in Gießen gewohnt, seien sich aber nie begegnet.

Der neue griechische Chefdiplomat gilt als ein Kenner, aber auch Kritiker Deutschlands. Der Titel seines jüngsten Buches spricht für sich: "Griechenland, eine Schuldenkolonie. Europäisches Imperium und deutscher Vorsitz". Beachtung findet auch seine frühere Schrift "Die Außenpolitik Griechenlands im 21. Jahrhundert", in der der Linkspolitiker für eine Annäherung an China, Indien und nicht zuletzt an Russland und Brasilien plädiert. "Kotzias ist Professor für internationale Beziehungen mit dem Schwerpunkt BRICS-Staaten, sein Interesse gilt eben diesen Ländern. Das bedeutet aber nicht, dass er die europäische Identität Griechenlands infrage stellt", sagt Giorgos Tzogopoulos, Mitarbeiter des Athener Think Tanks ELIAMEP, im Gespräch mit der DW.

Nikos Kotzias und Frank-Walter Steinmeier in Brüssel
Kotzias und sein deutscher Amtskollege Frank-Walter Steinmeier sollen in der gleichen Straße gewohnt habenBild: Reuters

Ehemaliger Kommunist und Jaruzelski-Versteher

Seine politische Laufbahn begann Nikos Kotzias bei der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), einer der letzten Bastionen orthodoxer Kommunisten in Europa. Er war Gründungsmitglied der kommunistischen Jugendorganisation KNE und des linken Think Tanks "Nikos Poulantzas" - benannt nach einem griechisch-französischen, marxistisch orientierten Soziologen und Staatstheoretiker. Die 1918 gegründete KKE gilt zwar als die älteste Partei Griechenlands, wurde aber erst 1974 nach dem Ende der siebenjährigen Militärdiktatur legalisiert und versteht sich seitdem als Sachwalter linker Ideologie. Heute lehnen die KKE-Kommunisten eine Koalition mit Syriza, der neuen politischen Heimat von Kotzias, vehement ab und verspotten diese sogar gelegentlich als "letzte Reserve des Kapitalismus".

Zur ideologischen "Festigung" der KKE hat nicht zuletzt Kotzias selbst beigetragen. In den 70er-Jahren bekam er in der Partei den Spitznamen "Suslow" verpasst - in Anspielung auf den früheren Chefideologen der sowjetischen Kommunisten. 1981 sorgte Kotzias für Aufsehen, als er den Militärputsch von General Wojciech Jaruzelski in Polen guthieß. Doch nur wenige Jahre später kam der abrupte Bruch mit seinen Glaubensgenossen: 1989 entschloss sich die Mehrheit der KKE-Kommunisten zu einer historisch einmaligen Koalition mit den Konservativen, um den damaligen sozialistischen Ministerpräsidenten Andreas Papandreou wegen schwerer Korruptionsvorwürfe vor Gericht zu bringen, worauf Kotzias und andere KKE-Mitglieder aus Protest gegen die "unheilige Allianz" mit den bürgerlichen Kräften ihren Parteiaustritt erklärten und eine neue Linksgruppierung gründeten.

Griechenland Athen Parlament Regierungsansprache Alexis Tsipras
Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras hat eine Einladung nach Russland bekommenBild: REUTERS/ Alkis Konstantinidis

Analytiker und Stratege

Seit 1993 ist Kotzias im Athener Außenministerium tätig - unter anderem war er Berater des Außenministers und Sozialistenchefs Giorgos Papandreou. Nach Angaben der Athener Wochenzeitung "To Vima" war Kotzias in dieser Position mitverantwortlich für die Vereinbarung von Helsinki im Jahr 2002, die den EU-Kandidatenstatus der Türkei regelte und aus griechischer Sicht den Weg für den Beitritt Zyperns 2004 freimachte. Auch die schrittweise Annäherung mit der Türkei durch vertrauensbildende Maßnahmen sei ein Konzept des Athener Außenpolitikers und könne in den nächsten Jahren wiederbelebt werden, berichtet "To Vima".

Der neue griechische Chefdiplomat hat insgesamt 24 Bücher und wissenschaftliche Schriften verfasst. Er gilt als brillanter Denker und Stratege, der allerdings seine eigenen Ansichten über Außenpolitik pflegt. Ungeklärt bleibt sein Verhältnis zu Russland. Nachdem Kotzias gleich bei seiner Amtseinführung gegen verschärfte Russland-Sanktionen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt protestierte, entstand der Eindruck, Griechenland würde aus der gemeinsamen Allianz der EU-Staaten ausscheren. Dem widersprach die Athener Regierung und erklärte, ihr Protest richte sich lediglich gegen das Verfahren. Den Kontakt zu Moskau will man natürlich pflegen: Am Mittwoch (11.02.2015) ist Außenminister Kotzias zu Gast bei seinem russischen Amtskollegen Segej Lawrow, Ministerpräsident Alexis Tsipras hat neulich ebenfalls eine Einladung nach Moskau bekommen.