Nigers verzweifelter Kampf gegen den Terror
18. März 2021Gerade erst, am 21. Februar, ist Mohamed Bazoum zu Nigers neuem Präsidenten gewählt worden, schon kommt es zu neuen Massakern in Tillabéri, der westlich gelegenen Grenzregion zu Mali und Burkina Faso. UN-Generalsekretär Antonio Guterres verurteilte am Mittwoch die Angriffe in und um die Marktstadt Banibangou, bei denen am Montag 58 Menschen starben; die Vereinten Nationen würden das Land weiter im Kampf gegen den Terror, für sozialen Zusammenhalt und eine nachhaltige Entwicklung unterstützen. Tatsächlich ist das Dreiländereck im Zuge der internationalen Anti-Terror-Bemühungen im Sahel hochmilitarisiert worden, denn immer wieder finden hier Anschläge statt. Bei einem Angriff auf malischer Seite starben am Mittwoch elf Soldaten.
Laut Moussa Tchangari, einem Vertreter der nigrischen Zivilgesellschaft, gehört das Massaker vom Montag zu einer neuen Strategie der Terroristen, um jeden Widerstandswillen in der Bevölkerung zu brechen: "Um ihre Macht zu festigen, zögern bewaffnete Gruppen nicht, Methoden wie diese anzuwenden", so Tchangari im DW-Gespräch. Sein Landsmann Amadou Harouna Maiga vom "Komitee Tillabéri vereint für Frieden, Sicherheit und sozialen Zusammenhalt" wird noch deutlicher: "Es gibt in der Bevölkerung Menschen, die dem Militär Informationen über die Verstecke, die Bewegungen [der Dschihadisten] geben". Gegen diese richteten sich die Vergeltungsschläge - sowie gegen Zivilisten, die den islamistischen Milizionären die Gefolgschaft verweigerten.
Lokale Konflikte, weltweite Netzwerke
Ein Zeichen dafür, dass der Terror Wurzeln schlägt. Erst im Januar waren bei Angriffen auf mehrere Dörfer mindestens 100 Menschen getötet worden. Schon damals hob Analyst Paul Melly vom Chatham House im DW-Gespräch hervor, dass der vermutete Anführer des Angriffs selbst aus einem der Dörfer stammte: "Das zeigt, wie sehr der ideologische Konflikt zwischen Dschihadisten, der Bevölkerung und dem nigrischen Staat mit lokalen Spannungen und Streitigkeiten verwoben ist." Die Regierung kündigte daraufhin an, ihre Militärpräsenz in der Region zu verstärken. Nach den jüngsten Anschlägen erklärte ein Regierungssprecher, die Sicherheitsmaßnahmen seien verstärkt und eine Untersuchung eingeleitet worden.
In den vergangenen Jahren wurde Niger immer wieder zur Zielscheibe für islamistische Terroristen, die Verbindungen zu al-Kaida und dem Islamischen Staat haben. Nach Angaben der UNO starben 2019 in Niger, Mali und Burkina Faso 4.000 Menschen durch dschihadistische oder ethnisch motivierte Gewalt. Am 21. Dezember wurden sieben nigrische Soldaten bei einem Hinterhalt in Tillabéri getötet. Das Fahren mit Motorrädern ist dort seit Januar letzten Jahres verboten, um Überfälle mobiler Dschihadisten zu verhindern.
Diese sind gut vernetzt und greifen von verschiedenen Seiten an. So bekannten sich die militanten Islamisten von Boko Haram zu einem Anschlag am 12. Dezember, bei dem 34 Menschen im südostnigrischen Dorf Toumour, nahe der nigerianischen Grenze, getötet wurden. Ebenfalls im Dezember wurden 34 Dorfbewohner in der südöstlichen Region Diffa massakriert. "Dies ist die Sahelzone, Ressourcen wie Wasser und Land sind hier fragil", so Experte Paul Melly im Januar. Ethnische Streitigkeiten und der Wettbewerb um knappe Ressourcen führen im Niger immer wieder zu Gewalt. Melly führt aus: "Die komplexen lokalen Spannungen zwischen den Gemeinschaften verschärfen sich in Kombination mit der absolutistischen Ideologie der dschihadistischen Gewalt, die sagt: Keine Kompromisse!"
Herausforderungen für den neuen Präsidenten
Am 21. Februar wählten die Nigrer Mohamed Bazoum, der zuvor als Innen- und Außenminister diente, im zweiten Wahlgang zum neuen Präsidenten. Bazoum steht als Verbündeter des scheidenden Präsidenten Mahammadou Issoufou für Kontinuität. Das gilt auch für das internationale Vorgehen gegen den Terror im Bündnis der Sahel-Staaten mit Partnern wie Frankreich, Europa und den USA. Er nannte die terroristischen Gruppen eine "Gefahr wie keine andere" und versprach, den Kampf noch zu verstärken.
"Die größte Herausforderung ist es, die Unsicherheit an den Grenzen zu Nigeria, Burkina Faso, Mali und Libyen in den Griff zu bekommen", sagte der nigerianische Journalist Seidik Abba der DW. "Die nigrische Regierung tut alles, was in ihrer Macht steht, aber es braucht internationale Unterstützung bei den Mitteln, Fähigkeiten und der Ausstattung." Auch Paul Melly vom Chatham House sieht keine Alternativen zur internationalen Unterstützung. Daneben müsse auch die wirtschaftliche Entwicklung und die Bekämpfung der Armut vorangetrieben werden - doch das sei in einem Kontext von anhaltender Gewalt und Unsicherheit nur schwer zu erreichen.
Mitarbeit: Gazali Abdou, Nafissa Amadou, Silja Fröhlich