Keine Perspektive in Nigerias Textilindustrie
16. Mai 2013Wer in der nordnigerianischen Stadt Zaria gute lokale Kleidung kaufen will, wird fast von jedem Einheimischen auf "Senurital Heri" verwiesen. Der Laden liegt etwas außerhalb, trotzdem ist er eine feste Größe für modebewusste Männer. Von außen sieht er unscheinbar aus, aber drinnen brummt das Geschäft. Hamza Abubakr ist der Sohn des Besitzers und für den Verkauf der langen traditionellen Männergewänder zuständig. "Made in Germany" steht auf der Verpackung, aus der Abubakr den Stoff zieht und auf dem Verkaufstisch ausbreitet. "Die großen und wichtigen Leute in Nigeria kaufen das gute Material aus Deutschland", sagt der Geschäftsmann. "Der kleine Mann kauft eher die billige Qualität aus China." Stoffe aus Nigeria findet man in seinem Laden nicht. Abubakr erinnert sich an drei Textilfabriken im Norden, die früher Stoffe hergestellt haben. Doch die seien jetzt geschlossen, da sich die Regierung nur noch für das Erdöl interessiere.
Gute alte Zeiten
Die Organisation für industrielle Entwicklung der Vereinten Nationen, UNIDO, legte im vergangenen Jahr alarmierende Zahlen vor. 1985 gab es noch 175 Textilfabriken in Nigeria, 2008 nur noch 25. Als Gründe für den Niedergang führt die UNIDO eine schlechte Energieversorgung und den schlechten Zugang zu Finanzkapital an. Lokale Unternehmer beklagen zudem steigende Textilimporte und die Unfähigkeit des Staates, darauf angemessen zu reagieren. Nigeria beugte sich bereits 1995 der Welthandelsorganisation WTO und öffnete seinen Markt für Textilimporte - wesentlich schneller als andere Länder. Mittlerweile versucht die Regierung, Importe heftig zu besteuern, doch der Schmuggel asiatischer Kleidung über Benin und den Niger blüht.
Iddu Detisu Adahama fordert von seiner Regierung deshalb eine Garantie, dass 30 Prozent der Waren auf dem nigerianischen Markt auch aus Nigeria kommen müssen. Adahama hat vor 35 Jahren in Kano im Norden des Landes eine Textilfirma gegründet, schon bald hatte er mehr als 300 Mitarbeiter. Wenn er daran zurück denkt, strahlen seine Augen. "Die Menschen hatten Arbeit, die Gebildeten und die Analphabeten. Sie arbeiteten auf der Farm, in der Industrie oder als Näher", erinnert sich Adahama. "Damals trugen alle Häftlinge, Krankenschwestern und Schüler hier Uniformen aus nigerianischer Baumwolle, weiterverarbeitet in Nigeria."
Mehr als 100.000 Jobs weg
Heute ist es in Adahamas riesiger Fabrikhalle leer geworden. Zwar stehen hier hunderte nagelneue Nähmaschinen, der Unternehmer hat aber nur noch 24 Mitarbeiter, die Unterwäsche und T-Shirts produzieren.
Adahama glaubt, dass es das Sicherheitsproblem nicht geben würde, wenn die Menschen Arbeit hätten. Zwischen 1996 und 2008 verloren allein durch die Schließung von Textilfabriken laut UNIDO-Bericht 113.000 Menschen in Nigeria ihren Job. Auch Ahmad Rabiu beklagt die fehlende wirtschaftliche Entwicklung. Der Vorsitzende der Industrie- und Handelskammer der nördlichen Bundesstaaten Nigerias macht die jahrelange schlechte Regierungsführung auf allen Ebenen für die katastrophale Sicherheits- und Wirtschaftssituation verantwortlich. Die Vernachlässigung der Infrastruktur mache der Industrie das Leben schwer. Das Eisenbahnnetz sei seit 1968 nicht erweitert worden und auch der Zustand der Straßen sei desolat. "Unsere Straßen sind Beweis genug dafür, wie Nordnigeria in den letzten vier, fünf Jahrzehnten vernachlässigt wurde", sagt Rabiu.
Immerhin eine gute Nachricht gab es in letzter Zeit: Nach jahrelangem Stillstand rollen seit März wieder Züge zwischen Kano und Lagos. Doch sowohl die Sicherheits- als auch die Wirtschaftslage im Land sind noch weit weg von der Normalität.