Nigeria: Wahltermin mit Hintertür
13. Februar 2015Sie sitzt in einem der olivgrünen Zelte, die den Flüchtlingen am Rande der Stadt Yola im Nordosten Nigerias notdürftig Unterkunft geben. Murna Philips ist eine von mehr als hunderttausend Menschen, die vor der Terrorbande Boko Haram aus dem Norden des Bundesstaates Adamawa geflohen sind. Eine Nachricht hat Murna Philips nun aber Hoffnung gegeben: "Als wir gehört haben, dass die Wahl verschoben wird, haben wir uns sehr gefreut. Denn sie haben gesagt, sie würden Boko Haram ein Ende machen." Philips hofft, dass es die Sicherheitskräfte ernst meinen mit der Begründung, die sie am 7. Februar für die Verschiebung der Wahlen um sechs Wochen gaben. "Dann können wir vielleicht bald zurück nach Hause und dort wählen", wünscht sich Murna Philips.
Regierungsanhänger froh über neuen Termin
Außerhalb der Flüchtlingslager teilen in Nigeria aber nur wenige Menschen die Freude über die verschobene Wahl. Meist sind das Parteigänger der regierenden Demokratischen Volkspartei (PDP) von Präsident Goodluck Jonathan. Auch der PDP-Kandidat für den Gouverneursposten im ebenfalls von Boko Haram attackierten Bundesstaat Yobe, Adamu Maina Waziri, verteidigt die Entscheidung: "Die Wahlkommission INEC war hier in Yobe noch längst nicht fertig mit den Vorbereitungen. Die hatten noch nicht einmal alle Wahlvorstände an der modernen digitalen Technik ausgebildet.".
Mit Kritik an den angeblich mangelhaften Vorbereitungen der Wahlkommission hatten PDP-Mitglieder schon seit Wochen eine Verschiebung des Wahltermins gefordert. Doch die INEC hätte solche Kritik immer zurückgewiesen und die Sicherheitskräfte hätten nie von Problemen bei der Absicherung der Wahlen gesprochen, erinnert sich die junge Rechtsanwältin Aisha Ado Abdullahi aus Kano. Umso überraschender sei dann die Ankündigung gewesen, die Wahl müsse wegen des Einsatzes gegen Boko Haram verschoben werden: "Da haben wir uns doch sehr gewundert, dass sie die ganze Zeit nicht in der Lage gewesen waren, Boko Haram zu bekämpfen. Und dann wollen sie ausgerechnet am Wahltag gegen Boko Haram ins Feld ziehen?", schimpft Abdullahi.
Gefahr für Unabhängigkeit der Wahl
Diese Frage stellt sich auch Hussaini Abdu, der das Nigeria-Büro der internationalen Bürgerrechtsorganisation Action Aid leitet. Er sieht die Unabhängigkeit der Nationalen Wahlkommission INEC gefährdet: "Es war ja das Militär, das verkündete, es könne nicht für die Sicherheit der Wahl sorgen. Die INEC war somit faktisch gezwungen, die Wahl zu verschieben." Damit liege das Schicksal der Wahlen nun praktisch in der Hand von Armee und Polizei, fürchtet Abdu.
In diesem Jahr bietet sich der jetzt geeinten Opposition erstmals seit Nigerias Rückkehr zur Demokratie 1999 die reale Chance, die seitdem regierende PDP von der Macht zu verdrängen - wenn denn bei den Wahlen alles mit rechten Dingen zugeht.
Genau das könnte aus Sicht der bedrohten Regierungspartei das Problem sein: Für einen zumindest weitgehend korrekten Ablauf der Wahlen steht kein Name so sehr wie der des INEC-Vorsitzenden. Der angesehene Politikwissenschaftler Attahiru Jega hatte schon vor vier Jahren deutlich sauberere Wahlen durchgesetzt als seine Vorgänger. Und ausgerechnet jetzt häufen sich die Rufe aus dem Umfeld des Präsidenten, Jega müsse abgesetzt werden, weil er insgeheim mit der Opposition paktiere. Bürgerrechtler Hussaini Abdu ist besorgt: "Das nehmen wir nicht auf die leichte Schulter. Es könnte ein sehr gefährliches Spiel werden, wenn man versuchen sollte, Jega vor den Wahlen abzusetzen."
Was plant der Präsident?
Präsident Jonathan selbst gibt sich gewohnt ausweichend. Am Mittwoch wurde er bei einer Fragerunde mit Journalisten live im Fernsehen gefragt, ob Jega weiterhin sein Vertrauen habe: "Wenn ich das Gefühl hätte, Jega sei nicht gut genug, dann gibt die Verfassung dem Präsidenten, der ihn ernannt hat, die Macht, ihn abzusetzen. Ich habe allerdings niemandem je gesagt, dass ich Jega absetzen wolle." Ein klares Vertrauensbekenntnis sieht anders aus - ganz davon abgesehen, dass der Präsident für eine Absetzung des INEC-Vorsitzenden eine Zweidrittel-Mehrheit im Senat benötigt.
In der Tat gilt der Plan, Jega noch vor den Wahlen entmachten zu wollen, als der wahrscheinlichste Grund für die Wahlverschiebung. Dafür – nicht für den Kampf gegen Boko Haram – habe man sich Luft verschaffen wollen, so die Kritiker. Bürgerrechtler Hussaini Abdu erinnert an den Fall des früheren Zentralbankpräsidenten und heutigen Emirs von Kano, Sanusi Lamido Sanusi. Nachdem Sanusi auf verschwundene Ölmilliarden hingewiesen hatte, betrieb Jonathan kein offizielles Absetzungsverfahren, sondern suspendierte ihn vom Dienst wegen angeblich "ungebührlichen Verhaltens". Würde Jonathan im Falle Jegas ähnlich vorgehen, wären die Wahlen bis zu einer gerichtlichen Überprüfung dieser Entscheidung längst gelaufen.
Nigerias Bürgerrechtler würden eine Absetzung Jegas jedoch nicht widerstandslos hinnehmen, ist Abdu überzeugt. Den jetzt auf den 28. März festgelegten Wahltermin könnte die Regierung also nur kippen, wenn sie neben einer Verfassungskrise auch massive – und möglicherweise gewaltsame – Proteste riskieren würde.
Präsident Jonathan bekannte sich in seiner TV-Fragestunde am Mittwoch interessanterweise nicht zum neuen Wahltag am 28. März, sondern nur zum in der Verfassung vorgeschriebenen Tag der Amtsübergabe an eine neue Führung am 29. Mai.