Nigeria: Eine Autobahn durch den Regenwald?
Der Ekuri-Wald im Süden Nigerias ist einer der letzten intakten Regenwälder des Landes - und er ist in Gefahr. Die Regionalregierung plant eine sechsspurige Autobahn durchs Grün. In der Bevölkerung wächst der Widerstand.
Protest im Paradies
Noch nie haben internationale Medien das kleine Dorf im Ekuri-Wald besucht. "Es ist das erste Mal, dass uns jemand zuhört", sagt einer der Bewohner, die spontan einen Protest organisiert haben. Die Regierung des südostnigerianischen Bundesstaates Cross River will hier, mitten im Regenwald, eine gigantische Autobahn bauen. Die Demonstranten haben Angst um ihre Heimat und ihre Existenz.
Kein Strom, keine Straßen
Viele Menschen hier fühlen sich im Stich gelassen: Die Brücken, über die die Dörfer im Wald erreichbar sind, haben sie selbst gebaut. Es gibt kein fließendes Wasser, keinen Strom. Kurz vor der letzten Wahl kam mal ein Politiker zu Besuch - mit dem Hubschrauber. Er habe Geldgeschenke verteilt, berichten die Bewohner, und Versprechungen gemacht. Nach der Wahl habe er sich nie wieder blicken lassen.
Beschlagnahmtes Land
Anfang des Jahres kam der Schock: In einer Zeitung lasen die Dorfbewohner eine öffentliche Bekanntmachung der Regionalregierung. Dort hieß es nicht nur, dass eine neue Autobahn durch den Bundesstaat Cross River gebaut werden soll. Den Anwohnern, die zehn Kilometer links und rechts der neuen Schnellstraße wohnen, sollen kurzerhand auch alle Landnutzungsrechte entzogen werden.
Nigerias erster "Super-Highway"
Die Autobahn soll einen neuen Hafen in Calabar, der Hauptstadt des Bundesstaates Cross River, mit dem Norden Nigerias verbinden - und eine der modernsten Straßen ganz Afrikas werden: 260 Kilometer, sechs Spuren, Highspeed-Internet für alle Fahrer. 800 Milliarden Naira - umgerechnet fast vier Milliarden Euro - soll das Projekt kosten. Doch woher das Geld kommen soll, ist unklar.
Eine Schneise durch den Urwald
Trotzdem wurden bereits Bäume gefällt, um den Bau der Autobahn vorzubereiten. Noch nicht mal auf das gesetzlich erforderliche Umweltgutachten hat die lokale Regierung gewartet. Das Gutachten liegt inzwischen vor - aber es erfülle die internationalen Standards nicht, rügte jetzt das Umweltministerium in Nigerias Hauptstadt Abuja.
Bulldozer stehen bereit
Das Ministerium hatte sich schon vor dem umstrittenen Gutachten eingeschaltet und nach Protesten von Umweltaktivisten und Anwohnern einen sofortigen Stopp der Abholzung angeordnet. Die Bulldozer sind aber trotzdem noch da - sie stehen vor dem Wald in Wartestellung.
Angst um die Natur
Im Ekuri-Wald leben vom Aussterben bedrohte Tierarten wie der Drill-Pavian und der Cross-River-Gorilla. Mehr als 1500 Pflanzenarten sind hier beheimatet. Der Regenwald gehört zu den biologisch vielfältigsten der Welt.
"Da wird was verheimlicht"
Odigha Odigha ist der ehemalige Vorsitzende der Wald-Kommission des Bundesstaates und versucht jetzt mit der Organisation "Coalition for Environment" den Autobahnbau zu stoppen. "520.000 Hektar Land sollen verstaatlicht werden, das sind 25 Prozent der Fläche des Bundesstaates", sagt Odigha. "Uns wird nicht erklärt, warum es ein Interesse an einer so großen Fläche gibt - da wird was verheimlicht!"
Holzgeschäfte statt Entwickung?
Einige Aktivisten und Anwohner vermuten, dass es in Wirklichkeit noch um etwas ganz anderes geht: das wertvolle Urwaldholz. Deshalb, sagen sie, werde auch nicht einfach die bereits bestehende Hauptstraße ausgebaut. Die großräumige Rodung des Waldes für die Autobahn werde als Vorwand genutzt, um das gewonnene Holz teuer ins Ausland zu verkaufen.
Die Politik wiegelt ab
Die Informationsministerin des Bundesstaates bestreitet das. "Für jeden gefällten Baum pflanzen wir zwei neue", sagt Rosemary Archibong. Doch warum auf beiden Seiten der Autobahn zehn Kilometer Land verstaatlicht werden sollen, darauf hat sie keine klare Antwort. "Entlang der Straße sollen die Menschen von der Entwicklung profitieren, etwa durch Farmen. Aber darüber wird noch gesprochen."
Ekuri-Bewohner protestieren weiter
Mit ihnen habe nie jemand geredet, klagen die Menschen im Ekuri-Wald. Margret Ikimu ist enttäuscht von der Politik. "Sie sollten erst einmal die marode Straße, die hierher führt, ausbauen", sagt sie. "Die Regionalregierung ist schon ein Jahr an der Macht und wir haben hier keine Veränderungen gesehen. Und jetzt wollen sie uns auch noch das einzige wegnehmen, was wir haben: den Wald."