Niebels Ostafrika-Reise
4. Juni 2013Vielleicht ist es auch dem Besuch des deutschen Entwicklungsministers Dirk Niebel zuzuschreiben, dass Ugandas wichtigste unabhängige Tageszeitung wieder ihre Arbeit aufnehmen konnte. Am Donnerstag (30.05.2013), einen Tag nach Niebels Ankunft in dem ostafrikanischen Land, gaben Polizisten die Redaktion des "Daily Monitor" frei. Zehn Tage zuvor hatten sie sie geschlossen, nachdem die Zeitung einen regierungskritischen Brief veröffentlicht hatte.
Am Dienstag (04.06.2013) beendete Niebel seinen Besuch in Uganda und Ruanda. Zu Beginn der Ostafrikareise des Ministers von der FDP galten die deutsch-ugandischen Beziehungen als belastet: Ein halbes Jahr zuvor hatte Niebel die Budgethilfe für Uganda auf Eis gelegt. Grund waren Korruptionsaffären und der Vorwurf, dass Uganda mit der Unterstützung von Rebellen im Nachbarland, der Demokratischen Republik Kongo, internationales Recht verletze. Auch die Rechtslage von Homosexuellen hatte Niebels Entscheidung beeinflusst: Ein Gesetzentwurf hatte 2012 die Todesstrafe für homosexuelle Praktiken vorgesehen. Auf internationalen Druck hin wurde der Entwurf jedoch vorerst gestoppt.
Dass Niebel Uganda bei seinem Besuch als "wichtigen Partner in Ostafrika" bezeichnet und dessen Entwicklungsfortschritte lobt, heißt jedoch nicht, dass alle Vorbehalte ausgeräumt sind. "Es ist wichtig, dass der Staat alle Menschenrechte respektiert", mahnte der Minister nach Gesprächen mit ugandischen Regierungsmitgliedern in der Hauptstadt Kampala: "Dazu gehören Presse- und Versammlungsfreiheit ebenso wie die Rechte von Minderheiten." Geld soll es trotzdem wieder geben - insgesamt 120 Millionen Euro über einen Zeitraum von drei Jahren; das sagte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zu. Allerdings sollen diese Millionen nicht direkt in den Staatshaushalt fließen, sondern in konkrete Projekte. Niebel und seine ugandischen Kollegen einigten sich darauf, dass mit dem Geld unter anderem der Rechnungshof und das Finanzministerium unterstützt werden sollen. Rechenschaftspflicht und Transparenz dieser Institutionen seien wichtige Voraussetzungen für Entwicklung, begründete Niebel die Entscheidung.
"Wir sind keine Kolonialisten"
Einzelne Institutionen direkt zu fördern, bezeichnete der Minister als Konsequenz aus Korruptionsaffären: In Ugandas Ministerien wurden Gelder in dreistelliger Milliardenhöhe veruntreut. Der ugandische Rechnungshof, den Niebel zum Ziel seiner Entwicklungsförderung erklärte, hatte Ende vergangenen Jahres zur Aufdeckung dieser Fälle beigetragen. "Wir sind keine Kolonialisten", erklärte Niebel im Interview mit dem "Daily Monitor", "und Uganda ist nicht unser Land." Deutschland könne Uganda nur dabei unterstützen, die nötigen Instrumente zu entwickeln, um selbst Fortschritte zu machen.
Uganda war zuletzt eines von wenigen Ländern, die noch allgemeine Budgethilfe aus dem deutschen Haushalt bekamen - ohne Festlegung auf bestimmte Ressorts oder Projekte. Dass es damit nun vorbei ist, halten deutsche Oppositionelle für problematisch. Unterstützung, die direkt in den Haushalt von Partnerländern fließe, fördere Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, erklärte Ute Koczy, entwicklungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen. Die von Niebel angekündigte Förderung des Rechnungshofes bezeichnet sie als "Ablenkungsmanöver". Sie wirft dem Minister vor, sich nun auf "kleinteilige Finanzierungen" zurückzuziehen.
Weiter Unterstützung für Ruanda
Ruanda war Niebels zweite Station in Ostafrika. Deutschland und andere Länder hatten im Sommer 2012 ihre Unterstützung für Ruanda eingefroren. Recherchen von UN-Experten hatten zuvor ergeben, dass Ruanda die ostkongolesische Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März) in ihrem Kampf gegen Regierungstruppen unterstützte. Ruanda hatte diese Vorwürfe stets zurückgewiesen. Im Februar 2013 entschied das BMZ dann, die suspendierten Budgethilfen für Ruanda in projektbezogene Hilfe umzuwandeln. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch äußerte jedoch Bedenken: eine vorschnelle Lockerung der Sanktionen könne ein falsches Signal an Ruanda senden.
Viele Beobachter halten einen Frieden im Kongo ohne Ruandas Mitwirkung für undenkbar. Auch wenn Ruanda mittlerweile ein Rahmenabkommen für Frieden und Sicherheit im Kongo unterzeichnet hat, bleibt seine Rolle bei der Konfliktlösung problematisch: "Ruanda gibt sich immer verhandlungsbereit, ist aber gleichzeitig nicht bereit, Kompromisse einzugehen", sagt der Politikwissenschaftler Alex Veit vom Bremer Institut für Interkulturelle und Internationale Studien. Das Land habe sicherheitspolitische und wirtschaftliche Interessen im Kongo.
Trotzdem hält Entwicklungsminister Niebel an der Unterstützung für Ruanda fest. Auch im kommenden ruandischen Haushaltsjahr 2013/2014 will Deutschland sieben Millionen Euro in Projekte zu Dezentralisierung und beruflicher Bildung stecken. Im folgenden Jahr soll das letzte Drittel der eingefrorenen Hilfsgelder wieder freigegeben werden: weitere sieben Millionen Euro. Ob sie dann weiter an konkrete Projekte gehen werden oder - wie früher - in den Gesamt-Haushalt einfließen, macht Deutschland von Ruandas weiterer Entwicklung abhängig.
Zufrieden äußerte sich Ruandas Minister für Provinzangelegenheiten James Musoni nach der Begegnung mit Niebel. Er hält die Vorwürfe, Ruanda habe M23-Rebellen unterstützt, für ausgeräumt. "Nachdem sie die Wahrheit erkannt haben, geben die Länder die Hilfszahlungen wieder frei - und Deutschland macht den Anfang." Der deutsche Entwicklungsminister habe ihm zugesichert, auch andere Länder zur Freigabe ihrer Ruandahilfen bewegen zu wollen, erklärte Musoni.