1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nicht in die Falle tappen

16. August 2018

Gastautorin Tirana Hassan von Amnesty International mahnt zur Vorsicht bei dem Begriff „Fake News“ und plädiert für kritische Faktenchecks und verifizierbare Recherchen – unter anderem mithilfe von Truly.Media. 

https://p.dw.com/p/33Fob
Flugzeugabsturz in Nepal: ein Beispiel aus Truly.Media
Flugzeugabsturz in Nepal: ein Beispiel aus Truly.MediaBild: DW

Immer mehr Machthaber bezeichnen unliebsame Informationen als „Fake News“. Andere verbreiten bewusst Fehlinformationen. Dagegen setzt Amnesty International auf kritische Faktenchecks und verifizierbare Recherchen. Unter anderem mithilfe von Truly.Media, der von der DW entwickelten Verifizierungsplattform. 

Von der rasanten Entwicklung des Internets profitieren auch Menschenrechtler. Fotos und Videos aus Sozialen Netzen und Chat-Apps haben viele Amnesty-Berichte der vergangenen Jahre überhaupt erst möglich gemacht. Sei es über die verbrannten Dörfer der Rohingya in Myanmar, über die völkerrechtswidrige Belagerung ganzer Städte in Syrien oder über die Drangsalierung von Geflüchteten auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Manus. Weil billige Handys mit hochauflösenden Kameras überall erhältlich sind, können Menschenrechtsverletzungen fast überall dokumentiert werden – von fast jedem. 

Amnesty kann Betroffenen aber nur dann Gehör verschaffen, wenn die gesammelten Informationen stimmen. Deshalb verwendet unser Krisenteam viel Zeit darauf, sie zu verifizieren. Denn nur selten sind Mitglieder des Teams genau dann selbst vor Ort, wenn Menschenrechte verletzt werden. Meist lässt sich erst im Nachhinein überprüfen, ob bestimmte Vorgänge sich tatsächlich so abgespielt haben, wie zum Beispiel von Journalisten berichtet. 

Tirana Hassan, Amnesty International, Leiterin Krisenreaktionsteam
Tirana Hassan, Amnesty International, Leiterin KrisenreaktionsteamBild: Amnesty International

Um das sicherzustellen, sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Techniken des Verifizierens geschult. Ein wichtiges Hilfsmittel ist dabei Truly.Media. Die Web-basierte Plattform wurde von DW-Journalisten entwickelt, um Fehlinformation, Spekulation und Manipulation in den Sozialen Netzen teilautomatisiert und kollaborativ in Echtzeit zu prüfen.

Das ist auch deshalb so wichtig, weil immer mehr Machthaber Informationen als „Fake News“ abtun, nur weil sie mit der Verbreitung bestimmter Fakten nicht einverstanden sind. Syriens Präsident Baschar al-Assad etwa bezeichnete den Amnesty-Bericht über Tausende Exekutionen im Saydnaya-Gefängnis 2017 als „Fake News“. 

Wir sollten nicht in die Falle tappen, diesen Begriff ebenfalls zu verwenden, denn er unterstellt, dass Menschen lügen, um andere absichtlich in die Irre zu führen. Indem wir ihn benutzen, spielen wir denen in die Hände, die Fakten verfälschen wollen. Anders sieht es bei Desinformation aus – dabei handelt es sich um Falschnachrichten, die bewusst verbreitet werden. 

„Begriffe bewusst setzen und von Fehlinformationen sprechen.“

Forscher der Harvard-Universität sprechen deshalb auch von Fehlinformationen statt von „Fake News“. Begriffe bewusst zu setzen hilft, denen entgegenzutreten, die die Arbeit von Amnesty und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen diskreditieren wollen. Oft ist den Nutzern von Sozialen Medien gar nicht bewusst, dass sie „Fake News“ teilen. Umso wichtiger ist die Differenzierung.

Titelbild Weltzeit 2|2018; mit Ausgabennummer
Dieser Beitrag stammt aus dem DW-Magazin Weltzeit 2|2018Bild: DW

Zumal der Fortschritt im digitalen Raum rasant ist. So ist es zum Beispiel längst möglich, in Videos Gesichter von Personen einzufügen, die nicht vor Ort waren. Die Qualität nachträglich bearbeiteter Videos – auch als „Deep Fake“ bekannt – wird immer besser. Mit einem Mausklick lässt sich eine Aufnahme von Winter- auf Sommerwetter umstellen. 

Was bedeutet das für die Welt, wenn solche Videos alltäglich werden? Wozu könnten sie genutzt werden? Zur Panikmache? In einer Welt im Umbruch, in der es viele potenzielle Wohlstandsverlierer gibt, eignen sich manipulierte Videos sehr gut dazu, deren Ängste zu instrumentalisieren.   

„Die zunehmend vergiftete Atmosphäre sichtbar machen.“

Autoritäre Politiker und Bewegungen lieben „Fake News“. Dagegen setzen Menschenrechtler die digitalen Entwicklungen bewusst ein, um eine zunehmend vergiftete Atmosphäre sichtbar zu machen. Wir kämpfen weiterhin mit aller Kraft für eine Welt, in der sich jede Person auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte berufen kann, ohne um Leib und Leben fürchten zu müssen. Dabei können leider auch Fehler passieren. Deshalb ist es für unsere Arbeit so wichtig, alles zu verifizieren.