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Herzradar kann den Tod vorhersagen

17. Februar 2021

Hamburger Forscher können mittels Radar frühzeitig und kabellos Schlaganfälle oder Herzinfarkte erkennen.

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Herzanfall Herzinfarkt
Bild: Colourbox

Die Idee von Professor Alexander Kölpin von der Technischen Universität Hamburg ist bestechend einfach: Wenn man mit Radar Schiffe orten, Flughöhen berechnen und Raser auf der Autobahn blitzen kann, dann lässt sich diese kontaktlose Technik doch sicherlich auch in der Medizin sinnvoll einsetzen: "Dabei hätten Funksensoren ein großes Potential, medizinische Untersuchungen komfortabler, sicherer und effizienter zu gestalten", so Kölpin.

Zwar ist die Idee, etwa verschüttete Menschen per Radar durch ihre Atmung und ihren Herzschlag zu orten , nicht ganz neu, aber Kölpin und sein Forschungsteam sind europaweit die Ersten, die Radarsysteme für den medizinischen Einsatz entwickeln und schon klinische Patiententests vorweisen können.

Am Institut für Hochfrequenztechnik hat das Team hochsensible Sensorsysteme für das medizinische Monitoring von Patientinnen und Patienten entwickelt. Mit der neuen Radartechnik kann sowohl der Herzschlag als auch die Atmung kontaktlos und kontinuierlich analysiert werden. 

Drahtlos Körperwerte ermitteln

Beim klassischen EKG wird der Herzschlag mithilfe von Elektroden und Kabeln ermittelt, die Patienten mit den Messgeräten verbinden. Bei der Radartechnik hingegen erfolgt das Monitoring berührungslos und aus der Distanz.

Herzradar von der TU Hamburg
Ein kleines Kästchen misst Herzschlag und Atmung - anders als bei diesem Test - kontaktlos unter dem Bettt. Bild: BrainEpP

Durch Kleidung, Bettdecken und sogar Matratzen hindurch kann der von Kölpin entwickelte Radar-Sensor Herz- und Atmungswerte erfassen und an die Monitoring-Geräte übertragen. "Unsere Sensoren senden elektromagnetische Wellen aus, die vom Körper reflektiert werden. In der Umsetzung funktioniert das etwa so: Das vom Herz ausgestoßene Blut läuft in Form einer Pulswelle die Gefäße entlang, was auf der Körperoberfläche als Vibration erscheint. Diese können wir mithilfe der Sensoren messen und daraus viele medizinische Aspekte des Herzkreislaufsystems bestimmen."

Hochsensible Messung des Pulsschlags

Der unscheinbare kleine Kasten hängt unter dem Bett. Wenn das Herz Blut durch die Adern pumpt, hebt sich die Hautoberfläche minimal an, so können wir ja auch den Pulsschlag mit dem bloßen Finger z.B. am Handgelenk messen.

Herzradar von der TU Hamburg
Mithilfe von Sensoren kann sowohl die Atmung als auch der Herzschlag gemessen werden.Bild: BrainEpP

Diese minimale Erhebung der Hautoberfläche kann das neue Radargerät mittels Abstandsmessung analysieren. Die Sensoren sind so präzise, dass die Herzfrequenz, die Herzbelastung und die Pulswellengeschwindigkeit, mit der man eine Arterienverkalkung und somit das Schlaganfallrisiko feststellen kann, exakt messen kann.

Wenn das Herz nicht mehr regelmäßig schlägt oder es Rhythmusstörungen gibt, schlägt das neue Gerät Alarm. So können sehr viel früher lebensrettende Maßnahmen eingeleitet werden. 

Epilepsie bei Neugeborenen feststellen

Vorerst fokussiert sich das Forschungsprojekt auf die medizinische Beobachtung von Früh- und Neugeborenen. "Wir konzentrieren uns vor allem auf epileptische Anfälle. Man vermutet, dass unerkannte Epilepsie für bis zu 20 Prozent aller plötzlichen Kindstode verantwortlich ist. Das Problem dabei ist, dass diese Anfälle bei Kleinkindern oft nicht diagnostiziert werden, da sie noch keine motorischen Krämpfe zeigen." 

EKG
Anders als beim EKG können die kleine Patienten kontaktlos beobachtet werdenBild: picture alliance/chromorange

Durch das kontaktlose Messen mit den Sensoren werden die Kinder kontinuierlich und ohne Einschränkungen überwacht. Ein Anfall kann so früh genug bemerkt und behandelt werden.

Einsatz auch bei COVID-19 Patienten möglich

Auch in der aktuellen Coronapandemie sei ein Einsatz der Technik sinnvoll, sagt Kölpin. "In Verbindung mit der von uns gemessenen Herzkreislauf- und Atemtätigkeit kann die Temperatur kontaktlos ermittelt und somit wichtige Parameter zur Beurteilung des Gesundheitszustands im Zusammenhang mit einer möglichen Corona-Infektion geprüft werden", sagt Kölpin.

So könnten Infizierte berührungslos untersucht werden, das reduziere auch das Ansteckungsrisiko für das medizinische Personal.

Selbst der Tod lässt sich vier Tage vorherhersagen

Bislang wird das neuentwickelte Herzradar erst an der Frauenklinik Erlangen auf der Palliativstation eingesetzt. Wer hier liegt, ist unheilbar krank und wird bald sterben. Wann es soweit ist, kann das neue Herzradar bereits etwa vier Tage vor dem Tod feststellen. So wissen Patienten und Angehörigen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, voneinander Abschied zu nehmen. 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund