Neuer Verdacht gegen Daimler-Dieselautos
14. April 2019Mit einem Trick soll der Grenzwert für Stickoxide bei der Prüfung der Dieselmotoren von Daimler eingehalten worden sein, schreibt die Boulevardzeitung "Bild am Sonntag". Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) habe ein formelles Anhörungsverfahren gegen den Autohersteller wegen Verdachts auf eine "unzulässige Abschaltvorrichtung" eingeleitet. Es geht demnach um rund 60.000 Fahrzeuge des Modells Mercedes-Benz GLK 220 CDI mit der Abgasnorm 5, die zwischen 2012 und 2015 produziert wurden.
Ein Daimler-Sprecher bestätigte am Sonntag, dass es eine Anhörung in dieser Sache gebe. Mit dem KBA liefen dazu bereits seit Monaten Gespräche. Das Unternehmen habe die verlangte Stellungnahme noch nicht abgegeben, das solle aber noch im April geschehen. Beim Kraftfahrt-Bundesamt war bisher niemand für eine Stellungnahme erreichbar. Das Bundesverkehrsministerium teilte auf Anfrage mit, es handele sich um ein "altes", laufendes Verwaltungsverfahren aus Herbst 2018. Vor Abschluss dieses Verfahrens könne man zu dem Vorgang keine Stellung nehmen.
Wie "Bild am Sonntag" berichtet, ist die Behörde bereits im Herbst 2018 auf die verdächtige Software-Funktion bei dem Motor OM 651 gestoßen. Weitere Emissionsmessungen bei einem GLK-Modell hätten den Verdacht erhärtet. So werde der gesetzliche Grenzwert für Stickoxide im Neuen Europäischen Prüfzyklus (NEFZ) nur eingehalten, wenn eine spezielle Temperaturregelung aktiv sei, berichtete das Blatt. Die Software-Funktion halte den Kühlmittelkreislauf künstlich kälter und verzögere die Aufwärmung des Motoröls. Im Straßenbetrieb werde die Funktion dagegen deaktiviert und der Grenzwert von 180 Milligramm pro Kilometer deutlich überschritten. Das KBA halte die Software-Funktion für eine "unzulässige Abschaltvorrichtung", schreibt die Zeitung. Die Behörde habe deshalb Anfang April das förmliche Verfahren eingeleitet und einen amtlichen Rückruf für die betroffenen Autos angedroht.
"Vollumfängliche Kooperation"
Daimler teilte mit, man kooperiere "vollumfänglich" mit dem Kraftfahrtbundesamt und prüfe den beschriebenen Sachverhalt. Laut der "Bild am Sonntag" hat das Amt herausgefunden, dass die neu entdeckte Funktion bei Software-Updates von Daimler unbemerkt entfernt wurde. Ob und warum dies geschehen ist, wollte ein Daimler-Sprecher demnach aus rechtlichen Gründen nicht beantworten.
Das Unternehmen bewertete den strittigen Sachverhalt als Teil "der angekündigten freiwilligen Service-Maßnahme für über 3 Millionen Mercedes-Benz Fahrzeuge im Feld". Dabei halte man sich an den Genehmigungsprozess, der mit dem Verkehrsministerium und dem KBA vereinbart wurde. "Die Behauptung, dass wir mit der freiwilligen Service-Maßnahme etwas verbergen wollen, ist unzutreffend", unterstrich Daimler.
Daimler musste vergangenes Jahr auf Anordnung des KBA schon mehrfach Fahrzeuge zurückrufen, davon 280.000 in Deutschland. Daimler führt die Rückrufe zwar aus, hat aber Widerspruch eingelegt.
Zeitverzug bei Nachrüstungen
Derweil wurde bekannt, dass die deutschen Autohersteller bei der Nachrüstung von Dieselfahrzeugen bundesweit in Verzug sind. Obwohl die Nachrüstfrist zum Jahresende 2018 abgelaufen sei, seien 1,2 Millionen Fahrzeuge bisher noch nicht mit einem Software-Update auf den neuesten Stand gebracht worden, berichten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe unter Berufung auf eine Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage der Grünen.
"Von den 5,3 Millionen Diesel-Pkw, die von der Autoindustrie für Software-Updates gemeldet wurden, sind 4,1 Millionen Fahrzeuge umgerüstet", schreibt das Verkehrsministerium demnach. Für Liefer- und Handwerkerfahrzeuge sei bisher noch kein einziges Hardware-Nachrüstsystem beim Kraftfahrtbundesamt zur Genehmigung eingereicht worden. Für Pkw lägen bislang vier Anträge für Hardware-Lösungen vor, die bei der Schadstoffreduzierung effektiver sein sollen als Software-Updates.
Die Ursache für die Verzögerung der Nachrüstungen liege "allein darin, dass die Hersteller noch die notwendigen technischen Unterlagen" zur Freigabe der Software-Updates an das KBA liefern müssten, so das Verkehrsministerium.
kle/sti (dpa, afp, rtre)