Die Unvollendete: EU ringt um Bankenunion
18. April 2023Nach der Pleite von regionalen Banken in den USA und der drohenden Pleite der Schweizer Bank Credit Suisse vor vier Wochen waren die Finanzmärkte tagelang verunsichert. Die Rettung in letzter Minute erinnerte an die schwere Bankenkrise von 2008. Auch deutsche Banken mussten schwere Einbrüche bei ihren Aktienkursen hinnehmen. Inzwischen hat sich die Lage wieder beruhigt. Die große Krise fiel aus, trotzdem war dies für die Europäische Union ein Weckruf. Die Banken-Union, die zur Rettung scheiternder Banken in der EU schon 2012 auf den Weg gebracht wurde, müsse endlich in allen Teilen fertiggestellt werden, sagte der Finanzpolitik-Experte Sebastian Mack in seiner jüngsten Analyse für das "Jacques-Delors-Institut", einer EU-Denkfabrik in Paris. "Obwohl EU-Banken im Moment widerstandsfähig aussehen, wäre die EU gut beraten, nicht einfach so weiterzumachen wie bisher", schreibt Sebastian Mack dort.
Einleger und Anteilseigner von Banken können immer noch sehr schnell das Vertrauen in ihre Bank verlieren und durch massives Abziehen ihrer Gelder deren Existenz gefährden oder gar beenden. Die EU-Kommission legte daher an diesem Dienstag in Straßburg einen Plan vor, wie die Lehren aus der jüngsten Rettung durch Credit Suisse durch den Schweizer Staat in die Bankenunion der EU übertragen werden können - auch wenn die Schweiz kein Mitglied der Eurozone oder der EU ist.
Was wurde bisher erreicht?
In den letzten zehn Jahren sind die Banken im Euro-Währungsraum stabiler geworden, weil sie mehr Eigenkapital vorhalten müssen, um Risiken zu minimieren. Das ist eine der vielen Vorgaben in der "Bankenunion", die die EU nach der Banken- und Schuldenkrise geschaffen hat. Dabei ging es vor allem darum, dass nicht erneut Steuergelder eingesetzt werden müssen, um marode Banken zu retten. Vor allem große, systemrelevante Banken sollten nicht mehr ins Schlingern kommen, sondern zunächst von ihren Anteilseignern (bail-in) und einem "Abwicklungsfonds" (Single resolution mechanism) gestützt werden.
Der Abwicklungsfonds mit einem Volumen von derzeit rund 66 Milliarden Euro wird vom Bankensektor selbst gefüllt und von einer EU-Behörde verwaltet. Die Banken werden von einer Aufsicht, die bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt angesiedelt ist, geprüft und überwacht. Erst ganz am Schluss der Kette sollen Anleger und Sparer zur Kasse gebeten werden. Einlagen unter 100.000 Euro sind grundsätzlich geschützt.
Was fehlt in der Bankenunion?
Die sogenannte Einlagen-Sicherung für Bankkunden ist bislang in den EU-Mitgliedsstaaten unterschiedlich und vor allem auf nationaler Ebene organisiert. In Deutschland stützen sich zum Beispiel Sparkassen und Genossenschaftsbanken gegenseitig. Hier sind die Einlagen nicht nur bis zu 100.000 Euro, sondern in nahezu unbegrenzter Höhe sicher. In osteuropäischen und südeuropäischen Staaten sind die Einlagensysteme nach Einschätzung der Stiftung Warentest deutlich schwächer. Erst Mitte 2024 sollen alle Sicherungssysteme den Mindeststandard erreichen.
Eine gemeinschaftliche Sicherung auf EU-Ebene gibt es nicht, obwohl darum schon seit zehn Jahren gerungen wird. Deutsche Finanzminister etwa wehren sich seit Jahren dagegen, dass deutsche Banken die Risiken von Banken in anderen EU-Ländern übernehmen müssten. Finanzminister aus Spanien, Italien oder Griechenland wollen dagegen erreichen, dass alle Länder sich "solidarisch" an der Finanzierung einer EU-weiten Einlagensicherung beteiligen.
Was schlägt die EU-Kommission vor?
EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness verlangte in Straßburg zum wiederholten Mal, dass sich die 21 Staaten, die an der Bankenunion teilnehmen, endlich auf eine gemeinsame Einlagensicherung (EDIS) einigen: "Wir rufen den Ministerrat und das EU-Parlament auf, diese wichtige Sache voranzubringen. Trotz Fortschritten in der letzten Dekade haben wir noch eine Menge Arbeit vor uns."
Außerdem soll die Banken-Abwicklung durch die EU-Bankenaufsicht und den Auflösungsfonds nicht nur bei großen "system-relevanten" Geldhäusern greifen, sondern auch bei mittleren und kleinen Banken, wenn das im öffentlichen Interesse ist. Die Bankenaufsicht soll mehr Kompetenzen und mehr Durchgriffsrechte bekommen. Eine möglicherweise notwendige Bankenrettung soll schneller erfolgen, ohne "Ansteckungsrisiken" für andere Institute. So soll das Vertrauen der Kunden in das Geschäftsgebaren aller Banken jedweder Größe gestärkt werden.
Was sagt die Politik?
Der grüne Finanzpolitiker im Europäischen Parlament, der Abgeordnete Rasmus Andresen, sieht beim Vorschlag der EU-Kommission Fortschritte. "Positiv ist zu bewerten, dass der einheitliche Abwicklungsmechanismus erweitert wurde und nun auch kleine und mittlere Banken umfasst. Das Risiko teurer staatlicher Rettungsaktionen zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wird damit voraussichtlich deutlich gemindert", sagte Andresen in Brüssel. Allerdings kritisiert er den deutschen Finanzminister Christian Lindner (FDP) dafür, dass Deutschland bei der Einlagensicherung der EU auf der Bremse steht.
Markus Ferber (CSU), finanzpolitischer Sprecher der christdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, unterstützt dagegen den deutschen Ansatz, für die Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit ihren besonderen Einlagensicherungen Ausnahmen gelten zu lassen. "Einige Mitgliedsstaaten haben bewährte Sicherungssysteme der Banken untereinander. Lasst uns diese nationalen Systeme, die gut arbeiten und Ansteckung verhindern, nicht untergraben. Wir brauchen ein EU-System, das flexibel ist und nationale Besonderheiten zulässt, solange die beabsichtigte Einlagensicherung gewährleistet ist", sagte Markus Ferber in Straßburg.
Wie geht es weiter?
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und das Europäische Parlament müssen jetzt weiter verhandeln, um die unterschiedlichen Auffassungen zu Einlagensicherung und Umfang der Bankenrettung unter einen Hut zu bekommen. Wie lange sie dafür brauchen, ist schwer abzuschätzen. "Hoffentlich sind sie vor der nächsten ernsten Bankenkrise fertig", meinte ein EU-Beamter, der mit der Finanzgesetzgebung der EU vertraut ist, vor der Sitzung der EU-Kommission am Dienstag.
"Verschiedene Versuche, die Einlagensicherung europäisch zu regeln, scheiterten wegen der festgefahrenen Positionen der Mitgliedsstaaten bei der Balance zwischen Risikoreduzierung und Risikoteilung", analysiert Sebastian Mack vom "Jacques-Delors-Institut". Die Reduzierung der Risiken, also zu vieler fauler Kredite oder schwacher Staatsanleihen in den Bilanzen der Banken, müsse Hand in Hand gehen mit einer Vergemeinschaftung der Einlagensicherung durch gesündere Banken. "Es muss Vertrauen auf allen Seiten geben", fordert Analyst Mack. Die jüngsten Verwerfungen in den USA und der Schweiz könnten zeigen, dass das Problem immer noch dringend ist. "Wir haben jetzt die Gelegenheit, um wirklich voranzukommen. Die EU-Regierungen sollten sie nutzen."