Neuer Abgastest - neue Probleme
9. Juli 2018Autoliebhaber rieben sich Ende Mai verwundert die Augen: Porsche, die deutsche Sportwagenikone, werde den Verkauf von Neuwagen in Europa einstellen, hieß es in Meldungen. Zwar folgte das Dementi prompt, es gebe lediglich gewisse Einschränkungen. Und VW ließ Wochen später wissen, es brauche riesige Parkflächen, um dort Neuwagen abstellen zu können. In der Branche herrscht eine gewisse Verunsicherung - auch bei Kunden, die sich demnächst ein neues Auto kaufen wollen. Worum geht es?
Ab dem 1.September dieses Jahres ersetzt das neue Verbrauchstestverfahren WLTP (Worldwide harmonized light vehicles test procedure) den bisher gültigen und höchst umstrittenen Verbrauchszyklus NEFZ . WLTP soll sich dem tatsächlichen Spritverbrauch annähern. Bisher klafften zwischen den von den Herstellern angegebenen Verbrauchszahlen und dem Fahrbetrieb im Alltag Lücken von 40 Prozent und mehr. Künftig soll der Unterschied nur noch 20 Prozent betragen.
Mangelnde Prüfstandkapazitäten
Einige Autohersteller klagen über mangelnde Prüfstandkapazitäten, auf denen die Testläufe für WLTP-Genehmigungen laufen. Es herrsche ein Stau von mehreren hundert Genehmigungsverfahren, rechnet der mächtige Branchenverband VDA vor.
Verschärft wird die Situation noch durch die ebenfalls ab September gültigen neuen Grenzwerte für den Ausstoß von Kleinstpartikeln von Benzinmotoren. Die heutzutage gebräuchlichen Systeme mit Direkteinspritzung (fuel injection) können diese Werte in der Regel nur durch mit bisher bei Benzinern nicht gebräuchlichen Partikelfiltern (OPF) erfüllen. Die Umstellung der Produktion führt ebenfalls zu Engpässen bei bestimmten Modellen.
Weitere Neuerungen bereits terminiert
Hinzu kommt noch eine weitere Neuregelung, die den Entwicklern der Hersteller ebenfalls Kopfzerbrechen bereitet: Die sogenannten RDE-Tests (Real driving emissons) sollen die Einhaltung der Grenzwerte von Stickoxiden und Partikelanzahl bei Messungen im realen Fahrbetrieb gewährleisten. Auch darauf muss sich die Autoindustrie vorbereiten, auch wenn die RDE-Tests erst ab September 2019, also ein Jahr später verpflichtend werden.
Dieses eine Jahr mehr hätten die Hersteller auch gerne für die Vorbereitung auf WLTP zur Verfügung gehabt - zumal die entsprechenden Ausführungsbestimmungen erst zum 27. Juli 2017 seitens der EU beschlossen worden seien, wie der Verband VDA beklagt.
Autoindustrie war bei den Verhandlungen dabei
"Dieses übliche Jammern der Autoindustrie ist absurd", meint dazu Michael Müller-Görnert, Referent für Verkehrspolitik beim ökologischen Verkehrsklub VCD, im Gespräch mit der DW. Von zu hohem Tempo, hohem Aufwand und zu hohen Kosten warnten die Hersteller immer, wenn es um Veränderungen gehe. Dabei habe die Autoindustrie selber bei vielen Arbeitsgruppen zum Thema teilgenommen und so an den Bestimmungen mitgewirkt. "Es sind ja langjährige Prozesse gewesen auf EU-Ebene, teilweise sogar auf UN-Ebene, als es um den weltweit harmonisierten Testzyklus WLTP ging", so Müller-Görnert.
Für den VCD-Experten rühren die Nöte einiger Hersteller auch daher, dass sie mit der Aufarbeitung des Dieselskandals beschäftigt sind. VW-Ingenieure zum Beispiel hatten alle Hände voll zu tun, um Software-Updates für vom Dieselskandal betroffene Autos zu entwickeln. Da blieb anderes auf der Strecke. Und das ist auch der Grund dafür, dass der Volkswagen-Konzern sogar unter anderem Parkflächen am noch nicht eröffneten Berliner Pannenflughafen BER mieten muss, um produzierte, aber noch nicht nach der neuen Norm zugelassene Fahrzeuge für einige Zeit auf Halde zu stellen.
"Genehmigungstourismus" immer noch möglich
Wie bisher haben die Hersteller die Möglichkeit, für die WLTP-Tests auch ins Ausland zu gehen. Aber genau diese gängige Praxis hat ja auch dazu geführt, dass der Abgasbetrug bei vielen Diesel-Modellen so lange unentdeckt blieb. Denn jedes Auto, das in irgendeinem EU-Mitgliedsstaat einer sogenannten Typprüfung unterzogen wurde, darf in jedem anderen EU-Land zugelassen werden. "Da gab es ja einen regelrechten Prüftourismus, wo man sich in ganz Europa die genehmen Prüforganisation oder Prüflabore ausgesucht hat, die dann auch mal ein Auge zugedrückt haben", so Michael Müller-Görnert. "Es gab teilweise Internetseiten von Prüforganisationen, die gesagt haben, 'wir helfen Ihnen, beste Prüfergebnisse zu erzielen'."
Das soll sich ändern. So machte sich kürzlich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dafür stark, dass europäische Autokonzerne ein einheitliches Gütesiegel "certified in Germany" für Pkw-Typengenehmigungen und Abgastests einführen. "Ich will, dass in Zukunft alle Autos in Deutschland sauberer unterwegs sind - deutsche wie ausländische Modelle", sagte Scheuer in einem Zeitungsinterview. Deutschland wolle erreichen, "dass dieser unsägliche Typgenehmigungstourismus ein Ende hat".