Verfassungsschutz wegen NSU unter Druck
1. Oktober 2014Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte schon 2005 eine CD mit Hinweisen auf die Terrorgruppe NSU ("Nationalsozialistischer Untergrund"). "Im Rahmen der Aktensichtung für ein laufendes Ermittlungsverfahren wurde im BfV eine CD aus dem Jahr 2005 gefunden, die das Kürzel "NSU/NSDAP" enthält", erklärte die Behörde in Köln. Eine Sprecherin ergänzte, die CD sei aber erst am vergangenen Montag aufgefunden worden.
Politiker empört
Etliche Mitglieder des Innenausschusses des Bundestages reagierten darauf mit Zweifeln oder Empörung. Die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic erklärte: "Dieser Fund reiht sich ein in eine Serie von Pannen des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei der Aufarbeitung des Rechtsterrorismus."
Man müsse sich fragen, ob es sich um einen Fall von Unfähigkeit oder um eine Verschleierungstaktik der Behörde handele, hieß es laut Deutscher Presseagentur aus Kreisen des Ausschusses. "Hier muss jetzt jeder Stein im Bundesamt für Verfassungsschutz umgedreht werden, damit Parlament und Öffentlichkeit erfahren, was sich tatsächlich ereignet hat", forderte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka.
Der Innenausschuss hatte in seiner Sitzung am 24. September zwar über die CD gesprochen, auf der das Kürzel NSU neben dem Namen der Partei von Adolf Hitler auftaucht war. Damals war aber noch nicht bekanntgewesen, dass der V-Mann Thomas R., der von den Verfassungsschützern unter dem Decknamen "Corelli" geführt wurde, die CD bereits vor Jahren einem Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes übergeben hatte. "Corelli", der an Diabetes litt, war am 7. Apri leblos in seiner Wohnung im Landkreis Paderborn aufgefunden worden.
Beim BfV in Köln hieß es jetzt, die CD habe zwar rechtsextremes Material und einen NSU-Schriftzug enthalten. Der Verfassungsschutz habe daraus jedoch nicht auf die "Existenz einer rechtsterroristischen Gruppierung namens NSU" schließen können. Die CD sei inzwischen dem Bundeskriminalamt zur weiteren Auswertung übergeben worden.
Zehn Morde
Der NSU soll in den Jahren 2000 bis 2007 acht türkisch-stämmigen und einem griechischen Kleinunternehmer aus rassistischen Gründen ermordet haben. Außerdem werden der Gruppe die Ermordung einer Polizistin, Bombenanschläge und Banküberfälle vorgeworfen. Die Ermittlungsbehörden tappten jahrelang im Dunkeln, sie vermuteten unter anderem Streit in kriminellen Machenschaften als Mordmotive.
Erst als sich die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im November 2011 selbst töteten, nachdem ihnen die Polizei nach einem Bankraub auf die Spur gekommen war, wurde die Existenz der Terrorgruppe öffentlich. Nach dem Tod ihrer Komplizen steckte das dritte NSU-Mitglied, Beate Zschäpe, die gemeinsame Wohnung in Zwickau in Brand und stellte sich der Polizei. In der ausgebrannten Wohnung fanden die Ermittler neben Waffen auch die sogenannte Pink-Panther-DVD, auf der sich die Terroristen auf zynische Weise zu den Morden bekennen. Zschäpe muss sich seit Mai 2013 in München vor Gericht verantworten.
wl/cw (dpa)