Neue Lust auf Lateinamerika
15. April 2013Kupfer und Lithium aus Chile, Eisenerz aus Brasilien und Gold aus Peru: Bei der Versorgung mit Rohstoffen setzt die deutsche Industrie zunehmend auf Südamerika. Politik und Wirtschaft suchen deshalb verstärkt den Schulterschluss mit der aufstrebenden Region.
Die deutsche Charme-Offensive begann Anfang des Jahres: Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm im Januar am EU-Lateinamerika-Gipfel in Santiago de Chile teil, um für eine neue Partnerschaft auf Augenhöhe zu werben. Bisher schien Merkels Interesse an Lateinamerika eher gering. Seit ihrem Amtsantritt 2005 war sie vorher erst ein Mal auf den Subkontinent gereist. Nur drei Monate später stand Mitte April mit der 13. Lateinamerika-Konferenz das nächste politisch-wirtschaftliche Spitzentreffen an.
Viel Geld für neue Funde
Chile und Brasilien gehören zu den acht wichtigsten Bergbauländern der Welt. Gemeinsam mit Kanada, den USA, Australien, Südafrika, China und Russland produzieren sie 50 Prozent der weltweiten Rohstoffe. "Neben Chile und Brasilien ist auch Peru im Moment sicherlich sehr attraktiv, weil es stabile Länder mit sehr hohem Rohstoffpotenzial sind", erklärt Peter Buchholz, Leiter der Deutschen Rohstoffagentur (DERA). Gerade wegen der hohen Konzentration mancher Rohstoffe auf wenige Länder ist die politische Stabilität ein entscheidender Faktor am Rohstoffmarkt.
Ein Ende des Booms ist nicht absehbar - besonders bei den Metallen: Neben Kupfer, Lithium und Eisen verfügt der Kontinent über große Vorkommen von Zink und Blei sowie diversen Stahlveredlern wie Mangan, Chrom, Nickel und Molybdän. Mittlerweile fließen nach Angaben der DERA 25 Prozent der weltweiten Investitionen zur Entdeckung neuer Lagerstätten von Rohmetallen nach Lateinamerika. Mehr wird nur in Nordamerika investiert: rund 26 Prozent. "Nach ganz Afrika gehen nur 15 Prozent der weltweiten Explorationsausgaben", erklärt Buchholz. "Diese Zahlen verdeutlichen die hohe Bedeutung von Lateinamerika für den Bergbau- und Explorationssektor."
Im November 2012 gaben deutsche Unternehmen bei einer Umfrage des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) an, dass Brasilien, China und die USA die drei wichtigsten Rohstofflieferanten sind. Auch Chile und Mexiko befinden sich unter den Top-Ten.
Deutsche Aufholjagd
Dennoch muss Deutschland sich beim Run auf die Bodenschätze ranhalten. "Deutschland ist auf funktionierende internationale Rohstoffmärkte angewiesen", erklärt Experte Buchholz. Dort heißen die Konkurrenten Kanada, Australien, USA - und vor allem China. Die Asiaten sind zum wichtigsten Handelspartner von Brasilien, Chile und Ecuador aufgestiegen und investieren stark in den Abbau. Die großen deutschen Bergbaufirmen haben sich dagegen in den 1990er-Jahren aufgrund sinkender Preise zurückgezogen. Erst seit 2003 versuchten sie, verlorenes Terrain zurückzuerobern.
Aufgrund des mangelnden Engagements sind viele Bodenschätze für deutsche Unternehmen reine Handelsprodukte. Umso weniger Einfluss haben sie auf den Preis. Nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften hätten sich die Kosten 2011 gegenüber den Vorjahren um rund 25 Prozent erhöht, obwohl die jährlichen Importmengen nahezu gleich geblieben waren.
Der genannten BDI-Erhebung zufolge wünschen sich 61 Prozent der befragten Unternehmen mehr politische Unterstützung. Große deutsche Konzerne wie ThyssenKrupp, Bayer, Bosch, VW und BMW schlossen sich schon vor einem Jahr zu einer Rohstoffallianz zusammen. Die Lobbygruppe kann bereits erste Erfolge aufweisen. Seit Beginn des Jahres gewährt die Bundesregierung verstärkt Kreditgarantien für Rohstoffprojekte. Sogenannte Rohstoffländerpartnerschaften sollen zudem potenzielle Geschäftspartner zusammenbringen und Lieferverträge mit deutschen Unternehmen anbahnen.
Mensch und Umwelt gefährdet
Nichtregierungsorganisationen verfolgen den weltweiten Ansturm auf die Bodenschätze indes skeptisch. "Als Folge des Bergbaus werden immer wieder Flüsse und Grundwasser verseucht und die Luft verschmutzt", kritisierte Pirmin Spiegel, Geschäftsführer des katholischen Hilfswerkes Misereor anlässlich der Präsentation der Studie "Vom Erz zum Auto". Die Studie - im Herbst 2012 in Kooperation mit Brot für die Welt und dem Global Policy Forum vorgelegt - dokumentiert Abbaubedingungen und Lieferketten im Rohstoffsektor.
Angesichts der Verletzungen von Menschen- und Arbeitsrechten fordern die Herausgeber eine stärkere Kontrolle der Unternehmen. "Die Bundesregierung und die EU sollten Firmen zur Offenlegung von Zahlungsströmen und Herkunftsnachweisen für Rohstoffe verpflichten", sagt Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von "Brot für die Welt". Menschenrechte und Umweltschutz seien unverzichtbare Leitplanken einer zukunftsfähigen Rohstoffpolitik. Daran solle sich die Bundesregierung auch in ihrer Außenwirtschaftsförderung und bei der Aushandlung von Rohstoffpartnerschaften orientieren.