Neue Landwirtschaft für den Klimawandel
22. August 2018Wer derzeit in Brandenburg mit dem Auto unterwegs ist, erblickt nicht nur verwunschene Kiefernwälder und grüne Alleen. Die Landstraßen führen kilometerweit entlang von staubtrockenen Äckern. Manche liegen brach, auf anderen stecken verkümmerte Maispflanzen in sandigen Böden. Mitten in dieser dürregebeutelten Gegend befindet sich ein landwirtschaftlicher Betrieb, der einer grünen Oase gleicht. In dem Dorf Alt-Rosenthal unweit der Märkischen Schweiz betreibt Ute Boekholt eine Gärtnerei für Saatgut. Der wilde Bewuchs in dem Garten gleicht einem Dschungel - an jeder freien Stelle sprießen Pflanzen, Kräuter, Früchte und Gemüse. "Dschungel passt eigentlich ganz gut. Die Philosophie hier ist tatsächlich dem Urwald nachempfunden. Wir versuchen hier, so wenig wie möglich in die Natur einzugreifen, und lassen das Ökosystem sich selber speisen", erklärt die Gärtnerin, während sie verrottete Pflanzen auf freiliegende Stellen im Boden legt - "mulcht", wie sie sagt.
Der diesjährige Hitzesommer, der den meisten landwirtschaftlichen Betrieben so zu schaffen macht, scheint hier in der Gärtnerei keine Auswirkungen zu haben. Ein Grund dafür ist die unkonventionelle Anbaumethode. Während in Deutschland viele Betriebe auf Monokulturen setzten, wird hier die Vielfalt zelebriert. Pestizide werden nicht gebraucht, denn als Dünger dient ausschließlich Humus aus abgestorbenen Pflanzenresten. Durch diese Anbaumethode lassen sich Hitzeperioden leichter überstehen. Dadurch, dass der Boden immer mit Mulch bedeckt ist, verdunstet weniger Wasser. Außerdem erreichen Pflanzen mit längeren Wurzeln tief ins Grundwasser, das sie in höhere Bodenschichten ziehen. "Permakultur" nennt sich das System.
Ernteausfälle selbstverschuldet?
Viele Bauern in Deutschland haben die Dürre jedoch nicht so gut verkraftet wie die Gärtnerei in Alt-Rosenthal. Laut dem Deutschen Bauernverbands wurde dieses Jahr eine "miserable Ernte" eingefahren: ein Minus von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In einigen Regionen lägen die Ernteausfälle sogar bei 70 Prozent bis zu Totalausfällen. Hilfsprogramme von bis zu einer Milliarde Euro wurden daher gefordert.
Die Bauern hätten aber auch bereits vor der Hitzeperiode falsch gehandelt. Bei ihr im Umland habe man lange Zeit zu einseitig auf Mais gesetzt, findet Boekholt. "Das ist riskant. Je vielfältiger in der Fruchtauswahl, desto besser. Wir haben hier keine Probleme. Wenn eine Pflanze aufgrund von Dürre ausfällt, haben wir noch viele andere Pflanzen, die Ertrag bringen." Genau aus diesem Grund gibt es Kritik an der Forderung des Bauernverbandes.
Christine Vogt vom Umweltinstitut München findet, dass Staatsgelder nicht die Lösung seien. Auch die "Anbaukultur" unter Landwirten müsse sich dringend ändern, um den Klimawandel zu bestehen. Humusreiche Böden, Fruchtfolgen, Bodenbearbeitungen mit leichten Maschinen, der Verzicht auf Pestizide, mehr Vielfalt, kleinere Äcker trügen dazu bei, dass Böden mehr Wasser speicherten. "Wird auf Vielfalt gesetzt, können Verluste ausgeglichen werden. Hochleistungssorten, wie sie in Monokulturen angebaut werden, benötigen reichlich Wasser für das Wachstum", sagte sie der Deutschen Welle.
Faire Erzeugerpreise wichtiger als Staatsgeld
Eine Mitschuld an den Ernteausfällen sehen die meisten Bauern nicht. Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), hält dagegen. "Ich halte es nicht für richtig, den Landwirten zu unterstellen, dass sie in der Vergangenheit zu viel auf Monokulturen setzten. Einige Landwirte sind auch stark von der Dürre betroffen, selbst wenn sie mehrere Früchte anbauen. Ohne Niederschlag geht es halt nicht", sagte er der Deutschen Welle. Für die AbL sei es wichtig, endlich faire Erzeugerpreise auszuhandeln. Daher fordert die Arbeitsgemeinschaft einen "Agrargipfel", wo sich Bauern, aber auch Verbraucherorganisationen, Molkereien und Schlachthöfe zusammensetzen, um faire Preise auszuhandeln.
Ute Boekholt betreibt schon seit 20 Jahren ihren Saatgutbetrieb. Schon immer lebte sie spartanisch - so wohnt sie in einem Wohnwagen direkt an der Gärtnerei. Auch wenn ihre Anbaufläche sie unabhängig vom Wetter permanent mit Saatgut versorgt, zu Wohlstand wird sie mit ihrer "Permakultur" wohl nicht kommen. Die Großbetriebe im Umland seien in den vergangenen Jahren deutlich rentabler gewesen.
Denn beim Anbau von Monokulturen können die Landwirte bei Ernte und Pflege immer wieder auf dieselben Maschinen zurückgreifen. Meistens wird Mais angebaut, weil die Pflanze auch zur Energiegewinnung verwendet werden kann und dadurch besonders rentabel ist. Diese Rechnung sei, so Boekholt, in niederschlagsreichen Jahren zu Gunsten der Monokulturen aufgegangen. Durch den Klimawandel könnte das Wetter jedoch extremer werden und dadurch die Karten neu gemischt werden.