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Neue Jobs durch technologischen Wandel?

Sascha Quaiser24. November 2013

Welche Job-Chancen bietet der technologische Wandel? Wer hat mehr davon? Firmen oder Beschäftigte? Fragen, die eine hochkarätig besetzte Konferenz in München diskutierte. Mit überraschenden Antworten.

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Bild: DW/S. Quaiser

Es geht um Innovationen, dabei ist das eigentlich ein alter Hut. Technologischen Wandel gibt es schon seit vielen Jahrzehnten. Hauptantrieb für die Unternehmen sind dabei meist die Kosten. Große Firmen haben in der Regel eine Abteilung Forschung und Entwicklung. Dort wird ausgebrütet, wie die Firma ihre Produkte noch besser machen kann. Oder wie Produkte billiger hergestellt werden können. Sei es, durch neue Maschinen, oder aber durch veränderte Arbeitsabläufe. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Arbeitnehmer, die sich den ständigen technologischen Änderungen anpassen müssen.

In München hatten sich an diesem Wochenende (23.11.2013) rund 40 hochkarätige Entscheider getroffen, um über diese Veränderungen zu sprechen. Sie kamen aus Europa und den USA. Viele von ihnen sind oder waren als Unternehmer oder Vorstandsvorsitzender tätig. Praktisch alle waren somit schon einmal dafür verantwortlich, dass Jobs gestrichen wurden.

Ideen für mehr Beschäftigung

David Nordfors aus Kalifornien ist ein umtriebiger Denker, der sich in den USA und Europa mit seinen Ideen in aktuelle Debatten einbringt. Es war auch seine Initiative, schlaue Köpfe nach Deutschland einzuladen. Der Konferenzname i4j bedeutet "Innovation for Jobs", also Innovationen für mehr Arbeitsplätze. Norfolds vermisst eine einheitliche Strategie der Regierungen. Denn es gebe immer ein Ministerium für Arbeit und ein anderes für neue Technologien. Dabei gehörten diese beiden Bereiche eigentlich in ein Haus. Das sei ein großes Hindernis. Auf lokaler Ebene allerdings, in Kommunen oder Städten, gebe es hier und da Ansätze, beide Themen in einer Zuständigkeit zu bündeln.

Wanka

Unternehmer in der Pflicht

Auf der Konferenz ging es in erster Linie darum, Ideen zu sammeln. Es kamen Vorschläge zusammen, wie künftig die Innovations-Potenziale in Unternehmen idealerweise genutzt werden könnten, ohne die Beschäftigten dabei zu verlieren. Allerdings, so ein Unternehmer, seien Angestellte und Arbeiter in der Regel träge. Wenige bewegten sich von alleine, es gebe keinen Antrieb, sich fortzubilden. Erst bei einer Kündigung erfolge das Umdenken. Viele Unternehmen hätten es nicht leicht, sagt David Nordfors. "Einerseits wollen sie gutes Personal haben, andererseits fühlen sich eher dafür verantwortlich, Gewinne zu erwirtschaften statt Arbeitsplätze zu schaffen."

Jobverlust nur bei den anderen?

Eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung unter 34.000 Beschäftigten in Deutschland zeigt, dass 78 Prozent der Befragten technologische Fortschritte am Arbeitsplatz zu spüren bekommen haben, aber nur die Hälfte wurde von ihrem Betrieb darauf vorbereitet. Fast 50 Prozent haben im direkten Arbeitsumfeld Stellenstreichungen mitbekommen, aber 80 Prozent fühlen sich selbst davon nicht bedroht. Der logische Umkehrschluss kann nur bedeuten: Wer sich am Arbeitsplatz zu sicher fühlt, sieht keinen Grund für Wandel oder persönliche Weiterentwicklung.

Die Teilnehmer beurteilten das grundsätzlich optimistisch. Unter dem Strich, so die Kernaussage, würden beide Seiten profitieren, Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen. "Innovation führt sowohl dazu, dass Arbeitsplätze wegfallen, als auch dass neue geschaffen werden", so der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Aart De Geus.

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Autoindustrie als Vorbild

Ein Beispiel, dass den Wandel vom Arbeitsplatzabbau zum -aufbau gut illustriert, ist die Automobilindustrie. Vor genau 100 Jahren - am 1. Dezember 1913 - lief die Fließbandproduktion bei Ford an. Das hat zunächst Jobs gekostet, denn weniger Arbeiter waren für die Fertigung nötig. Die Produktionszeit für einen Wagen reduzierte sich von zwölf Stunden auf 93 Minuten. Gleichzeitig sanken die Kosten pro Auto dramatisch, so dass es auch für mehr Menschen erschwinglich wurde, eines zu kaufen. Die Nachfrage stieg, und damit letztlich auch die Zahl der Arbeitsplätze. Heute kann man wohl zu Recht das Internet als wahre Jobmaschine bezeichnen. Eine Technologie, die zwar Jobs vernichtet - durch Online-Handel beispielsweise, der den stationären Einzelhandel bedroht. Parallel dazu aber werden neue Geschäftsfelder geschaffen, die es früher gar nicht gab - und die Jobs dazu auch nicht.

Stefano Scarpetta, Direktor für Beschäftigung und Arbeit bei der OECD, fordert von Regierungen Unterstützung dabei, dass Beschäftigte Fortbildungen erhielten. "Aber auch die Unternehmer selbst sollten mehr in ihr Personal investieren, um die Talente zu heben, die in der Firma arbeiten. Ständiges Lernen ist der Schlüssel zum Erfolg."

Ungeheuer

Jeder ist ein Entrepreneur

Egal, ob die Beschäftigten in der Produktion oder am Schreibtisch arbeiten, jeder könne sich weiterentwickeln, das ist in München einhellige Meinung. Auch der Fließbandarbeiter könne sich auf neue Entwicklungen einstellen. "Jeder Mensch hat eine Menge Talente", so De Geus von der Bertelsmann Stiftung. Manch ein Konferenzteilnehmer ist sogar der Meinung, jeder habe das Potenzial zum Entrepreneur. Man müsse ihm nur etwas Geld geben, um seine Ideen umzusetzen. Sogar traditionelles Handwerk wie die Schuhmacherei, so die Idee eines Mannes aus der bayerischen Wirtschaft, könne fit gemacht werden für die Zukunft. Man müsse halt nur eine Nische finden. Der ehemalige schwedische Arbeitsminister, Sven Otto Littorin, brachte dafür aus seinem Land ein Beispiel mit, das für diese Nische steht. Er berichtete von einer jungen Frau, die in ihrem Umfeld feststellte, dass Haarverlängerungen derzeit sehr gefragt sind. Heute verkauft sie künstliches Haar über ihre Online-Plattform und verdient damit Geld.

Ganz bewusst wolle man keine Politikberatung anbieten, sagt der Initiator David Nordfors. Damit bleiben den Regierungen wohl gute Ideen von Pragmatikern vorenthalten. Andererseits aber werden sich die Gedanken dieser Konferenz auch in die Unternehmen tragen, einiges davon wird in die Prozesse einfließen und die Art und Weise, wie Firmen Geld verdienen, verändern. Die Beschäftigten werden das alles zu spüren bekommen. Früher oder später. Aber, auch das war Konsens in München, die Beschäftigten müssen mitgenommen werden auf diesem Weg in die Zukunft.