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Neue Auswanderungswelle nach Wirbelstürmen

26. Oktober 2005

Nach den Wirbelstürmen in den USA sind Arbeitskräfte zum Aufräumen der Schäden dringend gesucht: Eine willkommene Arbeitsgelegenheit für Auswanderer aus Mittelamerika.

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Hoffnung auf Arbeit jenseits der GrenzeBild: AP


Juan Morales gehört zu denen, die dem Hurrikan "Katrina" viel zu verdanken haben - nämlich bezahlte Arbeit. In Gummistiefeln und mit Atemschutzmaske macht der 39-Jährige aus Honduras einen Job in New Orleans, für den sich kaum US-Bürger finden. Er befreit die Stadt von Müll und Dreck. 250 US-Dollar erhält Morales für seine 60-Stundenwoche. Das meiste von dem Geld sendet er nach Hause, zu seiner Frau und seinen vier Kindern.

Hurrikan Rita Überschwemmungen in New Orleans
New Orleans unter WasserBild: AP

Überweisungen als Wirtschaftsfaktor

Knapp eine Million Honduraner - und damit jeder siebte Bürger des Landes - leben heute im Ausland, die meisten davon illegal in den USA. Dieses Jahr werden sie 1,3 Milliarden US-Dollar in ihr Heimatland überweisen, doppelt so viel wie noch vor fünf Jahren. Ähnlich stark steigt die Armutsmigration in den Ländern El Salvador mit 2,5 Millionen Auswanderern und Guatemala mit 1,2 Millionen Emigranten. Deren Überweisungen übertreffen die Exporterlöse aus Kaffee oder anderen Agrarprodukten längst um ein Vielfaches.

Frauen machen Handarbeit in Guatemala
Frauen machen Handarbeiten in GuatemalaBild: AP

In einer aktuellen Studie kommt die Weltbank zu dem Schluss, dass "Überweisungen ins Heimatland von Migranten die Armut in Entwicklungsländern reduzieren". Das wichtigste Argument beruht auf Untersuchungen in Guatemala. Dort konnten die Weltbank-Ökonomen zeigen, dass die Gelder der Migranten produktiv investiert werden: in Schule und Ausbildung der Kinder. Doch das gilt nicht in allen armen Ländern.

Teufelskreis Armut

Frau mit Kindern im mexikanischen Chiapas
Frau mit Kindern im mexikanischen ChiapasBild: dpa

In den ländlichen Gegenden Mexikos zeigte sich der Studie zufolge der gegenteilige Effekt: Dort haben die Kinder von Emigrantenfamilien tendenziell weniger Schulbildung, "wahrscheinlich, weil sie dem Beispiel ihrer Eltern folgen und danach streben, für Hilfsarbeiten in die USA zu gehen", wie die Autoren schreiben. Und dafür werde Schulbildung als nicht notwendig angesehen.

Auf diesen Teufelskreis der Armut weist auch Francisco Ibizate, Dekan an der Universität Zentralamerikas in San Salvador und Kritiker des Wirtschaftsmodells der Überweisungen, hin. "Die Leute gewöhnen sich ans Geld und machen nichts, um dieses Wirtschaftsmodell zu korrigieren", sagt Ibizate. Hinzu kämen die "hohen sozialen Kosten" der Emigration: die Trennung von der Familie.

Schleuse Mexiko

In Ciudad Hidalgo-Stadt im mexikanischen Südstaat Chiapas ist die Grenze zwischen Guatemala und Mexiko offen. Über den Fluss Suchiate fahren Boote hin und her, von einem Ufer zum anderen, mit Migranten und Schmuggelgut. 2004 hat Mexiko 211.000 Personen in ihre Heimatländer nach Mittelamerika zurückgeschickt, jeden Tag 580.

Bürgerwehr an der Grenze zwischen USA und Mexiko
Bürgerwehr an der Grenze zwischen den USA und MexikoBild: AP

Von Mexiko aus wollen sie weiter in die Vereinigten Staaten, um dort Geld zu verdienen. Auf ihrem Weg in die USA müssen sie viele Risiken und Gefahren in Kauf nehmen: Vergewaltigung, Morde, Überfälle im Zug durch die berüchtigten Jugendbanden (Maras), Erpressung, Verdursten, Hunger und Missbrauch durch die Polizei. "Die Grenze (zu Guatemala) ist 1100 Kilometer lang", erklärt Augustin Caso vom Nationalinstitut für Migration. Es gebe nur zwölf Grenzübergänge und unzählige Schlupflöcher.

Mit Bussen, zu Fuß, übers Meer und per Autostopp sind Männer, Frauen, Familien und Kinder ohne Eltern aus Mittelamerika in Mexiko unterwegs. Normalerweise sperren Soldaten oder Mitglieder der Migrationspolizei das Gebiet unterhalb der Grenzbrücke am Suchiate ab. Dann verlangen die Uniformierten den Migranten Schmiergelder ab.

Aufbauhilfe

Hurrikan Katrina Zerstörung, zwei Autos auf Hausdächern
Viel zu tun in New OrleansBild: AP

Doch die Katastrophen durch Wirbelstürme führen derzeit in Mittelamerika zu einer neuen Auswanderungswelle. Was New Orleans vor einigen Wochen an den Rand des Untergangs brachte, sorgt in Honduras für Aufbruchstimmung. US-amerikanische Arbeitsvermittler eröffneten Büros in dem mittelamerikanischen Land, um weitere Hilfsarbeiter für New Orleans zu gewinnen. Dort hausen die Honduraner bereits in Notunterkünften in Kirchen, auf öffentlichen Plätzen, in Containern ohne Strom und Wasser. Wie Juan Morales sind sie bereit, jede Arbeit zu verrichten. (arn)