Im Kino: "Der Albaner"
2. August 2011Es ist eine Geschichte, wie sie sich tagtäglich tausendfach in Europa abspielt. Ein junger Mann aus dem Osten Europas versucht in Deutschland Fuß zu fassen. Die wirtschaftliche Not in der Heimat hat den Albaner Arben nach Deutschland getrieben. Zurückgelassen hat er seine Freundin Etleva. Auf der Suche nach einem Job stößt Arben auf viele Schwierigkeiten. Regiedebütant Johannes Naber kontrastiert den Alltag eines Emigranten in Deutschland mit den Bildern der albanischen Heimat. Beim Festival "Max Ophüls-Preis" in Saarbrücken erhielt der Film im Januar den Hauptpreis, auch beim "Festival des Deutschen Films" in Ludwigshafen gab es vor kurzem eine Auszeichnung. Nun kommt "Der Albaner" in die Kinos.
Verdrängte Perspektive
Deutsche Welle: Bereits vor zehn Jahren haben Sie mit der Arbeit an dem Projekt begonnen. Was war damals ausschlaggebend?
Johannes Naber: Die Keimzelle des Films war eigentlich die Erkenntnis oder vielmehr die Idee, dass man dringend mal wieder erzählen muss, wie ein Illegaler unser Land sieht. Also einer, der hierher kommt - ohne Papiere und ohne Aufenthaltsgenehmigung - und versucht, sich hier durchzuschlagen. Was hat der für einen Eindruck von Deutschland? Das ist eine Perspektive, die wir gerne verdrängen, die uns nicht so oft präsentiert wird. Ich glaube, um Toleranz zu finden gegenüber diesen Menschen, muss man sich in ihre Lage versetzen. Das war die Ursprungsidee.
Der Film trägt den Titel "Der Albaner". Es geht um einen Albaner, der von Albanien nach Deutschland kommt. Albanien galt immer als das ärmste Land Europas. War das ausschlaggebend?
Nein. Entscheidend dafür war die Tatsache, dass Albanien für mich und - wie ich feststelle - auch viele andere, ein weißer Fleck auf der europäischen Landkarte ist und man so gar nichts weiß. Aber: Es ist mitten in Europa. Die Hauptstadt Tirana ist von uns aus gesehen so nah wie Neapel. Albanien liegt noch vor Griechenland! Man weiß aber so wenig über das Land. Man weiß, dass da ein unheimlich harter Kommunismus herrschte. Man hat dann diese Klischees im Kopf von kriminellen Albanern. Das war es dann aber auch. Ansonsten weiß man nichts über dieses Land.
Diese Diskrepanz zwischen der Nähe und der absoluten Ignoranz - das hat mich interessiert. Da bin ich nach Albanien gefahren. Das war vor zehn Jahren. Das dauert dann natürlich eine Weile, ein Land tatsächlich so zu durchdringen, dass man sich trauen und wagen kann, darüber eine Geschichte zu erzählen.
Wichtig ist die Geschichte
Der Protagonist des Films geht nach Deutschland, trifft da auf bekannte Probleme eines Asylsuchenden. Er gerät auch in Situationen, in denen er mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Würden Sie mir widersprechen, wenn ich sage, dass das eine ganz klassische Geschichte von einem Immigranten ist?
Nein, ich würde Ihnen nicht widersprechen. Es ist eine klassische Geschichte von einem Immigranten. Es ist überhaupt eine sehr klassisch erzählte Geschichte. Der Film ist bestimmt keiner, der durch wahnsinnige Modernität überzeugt - in der Wahl der Mittel. Der Film will auch formal nicht das Rad neu erfinden. Er will das Kino nicht neu erfinden. Er konzentriert sich schon sehr stark darauf, die Geschichte zu transportieren. Und das ist auch das Wichtige.
Formal auffallend sind aber die Bilder, vor allem die, die in Albanien aufgenommen wurden. Sie sind von großer Schönheit. War das ganz bewusst ein Stilmittel?
Uns war immer klar, dass es sehr wichtig ist, dass man den Zuschauer in die Perspektive des Albaners versetzt. Gerade dem deutschen Zuschauer will ich diesen Blickwinkel eröffnen, diesen anderen Blickwinkel auf das Land. Die Perspektive des Albaners soll eingenommen werden. Und darum war uns klar, dass wir Albanien als Heimat darstellen. Als etwas, wo Orientierung herrscht. Wo man sich auskennt. Wo man eine gewisse positive emotionale Beziehung knüpfen kann.
Und Deutschland als ein Land, wo Orientierungslosigkeit herrscht. Wo dann auch keine (Kamera-)Totalen eingesetzt werden, wo sehr viele Orte plötzlich auftauchen, wo man also irgendwie reinspringt und nicht so richtig weiß, wo man ist. Desorientierung herrscht vor. Das war letztendlich der stilistische Kontrast zwischen Albanien und Deutschland. Und das bedeutete für Albanien eben auch, dass man die Opulenz dieser Bergwelten benutzt. Fast wie im Heimatfilm. Das ist zwar ein negativ besetzter Begriff, aber darum geht es. Nur so kann man die Perspektive des Albaners einnehmen.
Das Glück in der Nähe suchen
Ich hatte als Zuschauer durch diesen Gegensatz der Bilder - hier die Schönheit der Landschaft in Albanien, dort die graue Realität in Deutschland - fast den Eindruck: Mein Gott, so schlecht ist es doch gar nicht zu Hause in Albanien, in Deutschland warten nur Probleme. War das auch eine gewisse Intention von Ihnen?
Ja, das ist eine Leseart des Films. Da bin ich gar nicht dagegen, das so zu sehen. Also es ist jetzt nicht so, dass ich sage: 'Bleibt mal alle in Albanien!' Eine tiefe Moral der Geschichte könnte aber sein, dass man das Glück nicht immer in der Ferne suchen muss. Sondern, dass man sich manchmal umschauen muss, ob das Glück vielleicht nicht viel näher liegt, als man denkt.
Das Gespräch führte Jochen Kürten
Redaktion: Gudrun Stegen