Netzdebatte in China
29. September 2014Nach den pro-demokratischen Protesten in Hongkong verbittet China sich jede Einmischung von außen. Eine entsprechende Warnung an die Adresse ausländischer Regierungen ließ das Pekinger Außenministerium am Montag (29.09.) verbreiten. Darin hieß es, die Volksrepublik stelle sich gegen jeden Versuch, "illegale Bewegungen" wie Occupy Central zu unterstützen.
Flankierend dazu ist auch die Haltung der chinesischen Presse: China verurteilt die Entwicklungen in der Sonderverwaltungszone scharf, heißt es dort. Die Occupy-Central-Bewegung werde die Finanzmetropole ins Chaos stürzen und die Wirtschaft der Stadt massiv schädigen, so der Tenor der staatlichen Medien. Fotos, die die Proteste aus Hongkong zeigen, sind da unerwünscht. Um zu verhindern, dass sie im Netz massenhaft geteilt und verbreitet werden, ließ die Regierung deshalb den Fotodienst Instagram blockieren.
Hier könnte man den Eindruck bekommen, dass das Thema auch innerhalb Chinas zensierten Social-Media Netzwerken heiß diskutiert wird. Leider teilt es sich die Lage hier ziemlich klar: auf Weibo sind überwiegend Anti-Occupy-Stimmen zu hören und auf dem in China gesperrten Twitter die Pro-Occupy Meinungen.
Unterdessen wird in den sozialen Netzwerken des Landes das Thema heiß diskutiert – auch an der Zensur vorbei. Das Meinungsspektrum innerhalb der chinesischen Web-Community ist in zwei Lager unterteilt. Während auf der Seite der chinesischen Twitter-Variante Sina Weibo Befürworter der Pekinger Linie schreiben, äußern sich über den in China gesperrten Kurznachrichtendienst Twitter vor allem Unterstützer der Demokratiebewegung.
"Heuchler" und "Heuschrecken"
Dort schreibt beispielsweise der User Luohanguo: "Die Presse auf der ganzen Welt berichtet über Occupy Central. Nur in den chinesischen Medien wird kaum ein Wort darüber verloren." Dort sei alles harmonisch und friedlich, kritisiert er. "Die Schlagzeilen berichten nur über die jüngsten Äußerungen von Präsident Xi Jinping zu anderen Themen. Das sind alles Heuchler!"
Ganz anders sieht es Zhanhao. Er schreibt auf der Seite der Microblogging-Plattform Sina Weibo: "In den vergangenen 17 Jahren hat die Pekinger Zentralregierung Hongkong zu sehr verwöhnt. Von Jahr zu Jahr bekommen die Hongkonger bedingungslos zahlreiche Vergünstigungen - ohne auch nur die geringste Dankbarkeit zu zeigen." Und damit nicht genug, empört sich Zhanghao - und erhebt den Vorwurf: "Sie bezeichnen die Festlandchinesen trotzdem als "Heuschrecken".
Tiananmen 1989, Hongkong 2014
Boy1573 erinnert auf Twitter an die Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung auf dem Tiananmen-Platz in Peking im Juni 1989 und zieht Parallelen zu den derzeitigen Protesten in Hongkong. "Die Studentenbewegung vor 25 Jahren hatte damals fast die volle Unterstützung der Hongkonger Bevölkerung, auch viele Prominente standen dahinter. " Vor diesem Hintergrund stellt sich ihm die Frage, wie die Menschen auf dem Festland gleichgültig gegenüber Occupy Central sein könnten. Seine Antwort auf diese Frage: "Wenn man Angst hat, schweigt man. Aber man darf nicht zum Mittäter werden."
User Luguorenshi dagegen kritisiert den Zeitpunkt für das Aufkeimen der Forderungen nach mehr Demokratie. Dieser ist aus seiner Sicht konkret gegen die Regierung in Peking gerichtet. Er wirft der Bevölkerung von Hongkong auf Sina Weibo politischen Opportunismus vor und will wissen: "Warum habt ihr unter englischer Führung nicht nach mehr Demokratie verlangt? Warum habt ihr damals keinen Ton von euch gegeben?"
Mit ironischen Worten kommentiert sdsdsds185 die Entwicklungen in der Finanzmetropole - und stellt sich klar auf die Seite der Zentralregierung in Peking. "Wir sollten uns von der amerikanischen Regierung abgucken, wie sie gegen die dortige Occupy-Bewegung vorgegangen ist: dort gab es Pfefferspray, Wasserwerfer und blutig geschlagene Studentinnen." Und er fügt hinzu: "Die Hongkonger Regierung sollte von den demokratischen und freien Vereinigten Staaten lernen."
Appell an Chinesen, Botschaft an Hongkonger
Xie Kaiwen sieht ein grundsätzliches Problem beim Umgang der chinesischen Bevölkerung mit den pro-westlichen Demonstrationen in Hongkong. "Das normale Volk kann und soll zu politischen Themen seine Meinung äußern, es sollte eine aktive Rolle spielen. Politisches Engagement darf nicht als Sonderprivileg einer Partei (in diesem Fall: der KP Chinas, Anmerk. d. Red.) gelten." In diesem Punkt aber gebe es Nachholbedarf. Denn die chinesische Bevölkerung fordere das Recht auf Meinungsäußerung bislang wenig ein. "Das hat damit zu tun, dass die Festlandchinesen sich daran gewöhnt haben, von jemandem vertreten zu werden."
Und User Guo Baosheng schließlich kritisiert die Berichterstattung der Staatszeitung "Global Times" als "aggressiv". Für ihn ist klar, "dass geplant ist, bewaffnete Polizisten gegen Occupy Central -Anhänger einzusetzen". Die Hongkonger müssten aufpassen und auf der Hut sein. Aber, so Guo Baosheng, sie seien nicht allein mit ihren Forderungen nach mehr Demokratie: "Ihr habt für immer unsere Unterstützung."