Neonazis rüsten auf
3. November 2012147 Waffen konnten die fast 1000 Polizisten sicherstellen, als sie am 23. August gegen die rechtsextreme Szene im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) vorgingen. Neben Messern, Macheten und Wurfgegenständen aller Art waren bei der groß angelegten Polizeiaktion gegen Rechts auch Pistolen und ein Gewehr sichergestellt worden.
Und dies war nicht der erste Waffenfund bei Neonazis in Deutschland, wie Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, im Gespräch mit der Deutschen Welle zu Bedenken gibt: "Allein in den Jahren 2009 und 2010 sind über 800 teilweise sehr schwere Schusswaffen in diesem Milieu gefunden worden."
Besorgniserregend ist zudem, dass allein in NRW 99 Neonazis ganz legal im Besitz von Schusswaffen sind. Hinzu kommt noch eine nicht näher bekannte Anzahl illegaler Waffen. Wozu benötigen die Neonazis ein solches Waffenarsenal? Und wie kann man die rechte Szene entwaffnen? Fragen, denen die Sicherheitsbehörden derzeit nachgehen - und zwar nicht nur in Nordrhein-Westfalen.
Zielscheibe Andersdenkende und Polizisten?
Die Waffenfunde in der Neonazi-Szene haben die Sicherheitsbehörden alarmiert. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann äußert im Gespräch mit der Deutschen Welle die Befürchtung, dass die Waffen auch zum Einsatz kommen könnten: "Man muss einfach auf Grund der schlimmen Erfahrungen in der Vergangenheit davon ausgehen, dass das nicht nur Waffennarren sind, die Spaß haben am Sammeln von Waffen, sondern dass ein erhebliches Risiko besteht, dass diese Waffen auch einmal zu Gewalttaten gegenüber anderen Menschen eingesetzt werden sollen."
Joachim Herrmann verweist damit auf die Mordserie der rechten Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Das Terroristen-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe soll zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordet haben, darunter acht türkischstämmige Kleinunternehmer. Die Terrorzelle war erst am 4. November 2011 aufgeflogen, nachdem die beiden männlichen Mitglieder Selbstmord begangen hatten. Beate Zschäpe sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger schätzt die Lage auch nach der Zerschlagung der Terrorzelle als ernst ein. "Die Neonazis horten Waffen, um gegen den politischen Gegner oder die Polizei vorzugehen", so Ralf Jäger in einem Interview mit dem ZDF. Durch das Aufrüsten steige auch die Gefahr weiterer Terroranschläge in Deutschland.
Neonazis entwaffnen - aber wie?
Um die von Neonazis ausgehende Gefahr durch Angriffe mit Waffen zu verringern, prüfen die Sicherheitsbehörden, wie die rechte Szene entwaffnet werden kann. Während bei illegalem Waffenbesitz die Herausforderung darin liegt, überhaupt von der Existenz der Waffen Kenntnis zu erlangen, ist die Herausforderung bei legalem Waffenbesitz juristischer Natur.
Rainer Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft sieht das als eine juristischen Herausforderung an: "Wir müssen nachweisen, dass derjenige - aus welchen Gründen auch immer - nicht geeignet ist, eine Waffe zu führen." Paragraph 5 des Waffengesetzes gibt einen Anhaltspunkt. Denn wer eine Waffe führen will, muss laut Waffengesetz die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen. "Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, die einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die (…) gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind".
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann erklärt, dass die zuständigen Waffenbehörden vor Ort dies sorgfältig überwachen. "Wir haben die generelle Anweisung, dass bei allen, die als Extremisten bekannt sind sofort überprüft wird und alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, so jemandem die waffenrechtliche Erlaubnisse zu entziehen." Leider hätten die Verwaltungsgerichte die Behörden nicht immer voll unterstützt. Sie überprüfen nämlich die Entscheidungen der Verwaltungen und heben diese auf, wenn sie rechtlich nicht einwandfrei waren. Das ist, was auch Rainer Wendt als "juristische Herausforderung" bezeichnet, denn "da müssen wir juristisch ganz sauber sein. Das ist schwierig", so der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft. "Aber wir dürfen uns auf keinen Fall irgendwann mal den Vorwurf machen lassen, wir hätten es nicht versucht."